Jungstar: Nora von Waldstätten

Ein neuer Jungstar des deutschen Films ist eine Österreicherin:
Nora von Waldstätten. Im Moment ist sie in "Carlos - Der Schakal" im Kino zu sehen. Die Schauspielerin über blaue Flecken und Heimwehtherapie.

(c) Polyfilm

Deutsche Medien haben an Nora von Waldstätten einen Narren gefressen. Das heißt, eigentlich haben sie am Adelstitel von Nora von Waldstätten einen Narren gefressen. Die „Baronesse mit dem eiskalten Blick“ wird sie von der „Bild“-Zeitung bevorzugt bezeichnet und das alte Wiener Adelsgeschlecht derer von Waldstätten heraufbeschworen. Gern erzählt wird die Anekdote, wonach Noras Ahnin, Elisabeth von Waldstätten, Mozart einmal einen roten Frack spendiert habe. Das mutet selbst Österreichern, denen ein Faible für Monarchismus mitunter nicht abzusprechen ist, kurios an. In ihrer Heimat nämlich heißt Nora von Waldstätten ganz republikanisch, das „von“ hat sie als Künstlernamen in Deutschland hinzugefügt, weil ihr der Rhythmus gefällt. Sie selbst amüsieren die Fragen nach der Nobilität: „Es gibt Schlimmeres“, sagt sie.

Der „eiskalte Blick“ ist übrigens das zweite Merkmal, an dem keiner vorbeikommt. Die Augen der 29-Jährigen haben es nicht nur Regisseuren angetan, die mit Vorliebe in die Nahaufnahme ihres blassen Gesichts zoomen. Sei es in der Rolle einer mordenden Eliteschülerin in der „Tatort“-Folge „Herz aus Eis“, die ihr den Durchbruch brachte. Oder sei es als verflossene Liebe eines Bankers in der Krise in „Schwerkraft“, für den sie als bester Nachwuchs mit dem Max Ophüls Preis belohnt wurde. 
Die Nachwuchsphase kann man jetzt getrost als beendet bezeichnen. Denn in Kürze ist Nora von Waldstätten in der internationalen Großproduktion „Carlos – der Schakal“, die schon in Cannes vorgestellt wurde, auch hierzulande im Kino zu sehen.
Da spielt sie die Frau des Terroristen Carlos, der unter anderem für die Geiselnahme in der OPEC 1971 in Wien verantwortlich war. Die Deutsche Magdalena Kopp war von 1979 bis 1992 mit Carlos liiert, 1986 wurde in Syrien die gemeinsame Tochter geboren, 1994 wendete sie sich endgültig von dem Playboy-Terroristen, der mittlerweile inhaftiert war, ab. Die wahre Magdalena Kopp hat Waldstätten nicht getroffen – das Risiko war ihr zu groß: „Sie ist heute eine ganz andere Frau als damals. Ich glaube, sie hat alles, was sie über diese Zeit sagen wollte, in ihr Buch ,Die Terrorjahre‘ gepackt.“ Bei diesem Film stieß Nora von Waldstätten mit ihrer Methode, sich an Figuren heranzutasten, an ihre Grenzen. Sie hat nämlich die Angewohnheit, für ihre Rollen eine Biografie zu erfinden. In einem Notizbuch steht dann, welches Haustier die Figur einmal hatte, welchen Lieblingsdrink sie hat, sie zeichnet einen Plan der Wohnung, sie stellt eine Musikliste zusammen und beschreibt den größten Traum und den größten Alptraum der fiktiven Person. Bei Magdalena Kopp, die keine fiktive Person ist, konzentrierte sie sich auf Fragen wie, worüber sie und Carlos sprechen, bevor sie einschlafen. Vor allem aber beschäftigte sie sich drei Monate damit, Allgemeinwissen aufzupolieren und den Zeitgeist zu verstehen: „Was heißt es, in dieser Zeit Frau zu sein? Und das politische Thema: der internationale Terrorismus. Wovon genau reden wir da? Wenn das Wort Mossad fällt, wäre es ganz gut, nicht nur zwei, drei Stichworte dazu zu wissen.“    

Im Hier und Jetzt. Diese Vorarbeit nennt die Schauspielerin „Hausaufgaben machen“. Und sie sagt auch Sätze wie: „Ich glaube an Arbeit.“ So gesehen ist Nora von Waldstätten eine Musterschülerin. Aber so weit geht es nicht, dass sie sich stur an ihrem Notizbuch festhält: „Das Spannende ist, vor der Kamera dann spontan zu sein, im Hier und Jetzt zu sein.“ Im Hier und Jetzt der „Carlos“-Kamera hat sich Waldstätten auch einige blaue Flecken eingefangen: „Bei den Szenen habe ich oft nicht gewusst, ob mich Edgar (Ramirez, Carlos-Darsteller, Anm.) jetzt gleich küsst oder schlägt.“ Die beiden Schauspieler haben sich im Vorfeld immerhin ausgemacht, dass sie sich zumindest nicht krankenhausreif schlagen.

Seit sieben Jahren lebt die Wienerin jetzt schon in Berlin. An der deutschen Hauptstadt schätzt sie, dass sie gut für Künstler ist: „Da hat man die Zeit zu reflektieren, zu überlegen, was man machen will, man ist nicht gezwungen, irgendetwas zu tun, nur damit man eine astronomische Miete zahlen kann.“ Als Berlinerin sieht sie sich trotzdem keineswegs: „Ich bin durch und durch Wienerin“, sagt sie fast empört. „Das ist meine Heimat, da komm ich her, und wenn ich am Deutschen Theater in Berlin Elfriede Jelinek spiele, dann ist das eine Welt, von der ich sage, ja, das kenn ich.“ Aber es muss nicht immer Jelinek sein: „Es gibt gute österreichische Lokale in Berlin. Wenn ich Heimweh habe, ess ich ein Schnitzel und dann ist die Welt schon deutlich besser.“

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