Street-Art-Künstler Banksy spielt einen Kino-Streich

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Im Film "Exit Through the Gift Shop" rechnet Street-Art-Star Banksy mit dem Ausverkauf im Kunstbetrieb ab. "I'm Still Here" dokumentiert den irren Fall von Schauspieler Joaquín Phoenix. Zum Genre "prankumentary".

Es ist kein Vom Winde verweht, aber ich denke, irgendwo steckt eine Moral drinnen.“ Die Einleitung von Street-Art-Künstler Banksy ist bereits reine Ironie. Der seine Identität geheim haltende Graffiti-Guerilla, längst ein millionenschwerer Star, sitzt schon zu Anfang des Films Exit Through the Gift Shop im Atelier, als unkenntliche Silhouette: das Gesicht im Schatten einer Kapuze, die Stimme elektronisch nachbearbeitet.

„A Banksy film“ heißt es im Vorspann, aber mit dem Autorengedanken wird dann ausgiebig Scherz getrieben. Zentrum dieses designierten „Street-Art-Katastrophenfilms“ ist ein eigenartiger Franzose namens Thierry Guetta, von dessen Material Exit Through the Gift Shop lebt: Guetta entwickelte erst eine Obsession für das Mitfilmen seines Lebens im Allgemeinen, dann der Street-Art-Bewegung im Besonderen, nachdem sein Cousin unter dem Namen Invader eine Schlüsselfigur der Szene wurde. Bald folgt Guetta anderen Vertretern der Richtung wie Monsieur André oder Shepard Fairey, häuft tonnenweise Videobänder für die „definitive Street-Art-Dokumentation“ an. Schließlich trifft er auf Banksy, den er u.a. zu dessen Guantánamo-Aktion in Disneyland oder zu seiner Ausstellung mit dem bemalten Elefanten begleitet.

Werbemaschine. Doch dann dreht Banksy den Spieß um. Guetta bastelt aus dem jahrelang gehorteten Material das Werk Life: Remote Control– The Movie, offenbar nach dem Zufallsprinzip. Banksy befindet dieses für „shit“, empfiehlt dem Franzosen, Künstler zu werden und kündigt an, aus dessen Videobändern selbst den versprochenen Street-Art-Film machen zu wollen.

Der soll Exit Through the Gift Shop wohl sein: Die angekündigte Katastrophe manifestiert sich in der zweiten Hälfte als Kulturbetrieb-Satire. Guetta nennt sich „Mr. Brainwash“, stampft eine Ausstellung aus dem Boden. Die wird ein Riesenerfolg, vor allem finanziell: Denn Guetta hat gelernt, wie man die Werbemaschine bedient, PR-Zitate von Banksy & Co. inklusive. Dabei ist der Neo-Künstler augenscheinlich alles andere als talentiert: Er variiert nur andere Kunstwerke, meist als minderes Warhol-Epigonentum, hergestellt in Factory-Manier. „Artistisch“ in Aktion sieht man Guetta nur, als er im Bürosessel an Bilderreihen vorbeirollt und mit Sprühdosen beliebig bearbeitet.

„Warhol hat ikonische Bilder wiederholt, bis sie bedeutungslos wurden, aber sie hatten noch immer etwas Ikonisches. Thierry macht sie wirklich bedeutungslos“, kommt der Kommentar aus dem Kapuzenpulli zu den Guetta-Produkten: Banksy, der sich den ganzen Film über mit spöttischen Bemerkungen einschaltet, bilanziert zuletzt, früher hätte er jeden ermutigt, Kunst zu machen – aber nun nicht mehr so sehr. Das ist die angekündigte Moral: Die innovative Street Art ist ausverkauft worden. Der Filmtitel sagt alles: die Museums- und Galerienwelt als Markt, in der das strategische Spiel mit Hypes und Verkäufe mehr zählen als Kunst.

Hoffnarr für Banksy. Doch so simpel ist alles nicht: Exit Through the Gift Shopist wahrlich kein Vom Winde verweht, kommt daher wie eine markttaugliche, ganz unterhaltsame Infotainment-Sendung. Das Porträt der Street Art ist oberflächlich, lückenhaft und frei von künstlerischem Kontext. Guettas Life Remote Control sieht im Kurzausschnitt zwar aus, als würde man im Sekundentakt durch Fernsehprogramme zappen, wirkt aber radikaler und stilistisch interessanter als Banksys Dokumentation, an der vieles zweifelhaft ist. Guetta bleibt ein Strohmann, seine „Mr. Brainwash“-Karriere könnte nur eine Banksy-Aktion sein: Der Franzose wird als Hofnarr in Szene gesetzt, der Sätze sagt wie „Ich spiele zwar nicht Schach, aber das Leben ist wie ein Schachspiel für mich“. Die Banksy-(Selbst-)Darstellung ist dafür bei aller Ironie ziemlich eitel. Was natürlich eine doppelte Ironie sein könnte.

Im Englischen hat man nun das Wort „prankumentary“ (von „prank“, Schabernack) geprägt für diese Form der „documentary“, die damit spielt, dass das Dokumentierte gefälscht sein könnte – der nächste Schritt nach der „mockumentary“ („mock“ heißt verhöhnen sowie täuschen), in der das Gefälschte als Parodie kenntlich wird. Ein zweiter aktueller Genre-Eintrag bringt es im Dialog auf den Punkt: „Is it real?“– „It doesn't really matter“, heißt es in I'm Still Here, der prankumentary über die „verlorenen“ Jahre von Hollywoodschauspieler Joaquín Phoenix. 2008 wechselte der das Fach: Er wolle nicht mehr diese Joaquín-Figur spielen. Ungepflegt, mit Rauschebart und Schmerbauch startete er eine neue Karriere als (echt untalentierter) Rapper. Und trieb nicht nur seinen Wunschproduzenten Sean Combs alias P. Diddy mit endlosem „compli-fuckin'-cated“-Sprechgesang zur Verzweiflung.

Öffentlicher Zusammenbruch.
Die heuer in Venedig vorgestellte „Dokumentation“ über seinen „öffentlichen Zusammenbruch“ hat Phoenix selbst mitproduziert, Regisseur ist sein Schwager, Schauspieler Casey Affleck, viele prominente Freunde schauen vorbei. Sie geht aber weit mehr ans Eingemachte der Kulturindustrie als Banksys Film, weil sie bis in die absichtlichen Leerläufe härter ist. Nicht nur, weil Phoenix Kokain von Brüsten konsumiert, sich meist unleidlich aufführt und oft kotzt. Letzteres passt zum Thema: I'm Still Here beschreibt von innen, wie einen die Celebrity-Kultur ankotzt. Als Phoenix aussteigt, um einen – egal wie lachhaften – Traum zu leben, ist das für die Entertainment-Welt ein Freibrief zum Abschuss: Spekulationen, ob das ganze Theater Witz oder Wahrheit ist, weichen der genüsslichen Schadenfreude über die selbstzerstörerische Aktion.

Erschöpft sich Banksys Streich in schlauer, doch folgenloser Spaßkunst, so hat der Phoenix-Schmähfilm etwas echt Unheimliches. Zwar bieten beide keine neuen Erkenntnisse. Aber selten ist die Herrschaft von Medienmüll in der Unterhaltungsindustrie so drastisch gespiegelt worden wie in der Szene, als der Assistent von Phoenix genug von dessen „I shit on your face“-Tiraden hat– und aus Rache genau das tut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2010)

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