Stummfilm: Slapstick jenseits der Schmerzgrenze

(c) Filmarchiv
  • Drucken

Das Filmarchiv zeigt "Silent Comedians", darunter die Wiener Pioniere "Cocl und Seff". Das Duo ist zwar kein Durchbruch der Slapstick-Schmerzgrenze, aber filmhistorisch faszinierend. Bis 9. Jänner im Wiener Metro.

Der eben verstorbene Pink-Panther-Regisseur Blake Edwards war Spezialist für frühen Slapstick: Sein Epos Das große Rennen rund um die Welt (The Great Race, 1965) war ein dem unvergleichlichen Duo Laurel und Hardy gewidmeter Tribut. Ein Lehrmeister von Edwards war der geniale Regisseur-Autor-Produzent Leo McCarey, der sich u.a. durch einige der besten Kurzfilme mit Laurel und Hardy einen Namen machte – und Edwards das Wesen von Slapstick näher brachte: Das „Durchbrechen der Schmerzgrenze“ sei entscheidend. Erzeugt eine Kettenreaktion filmischer Katastrophen so viel Schmerz, dass es nicht mehr zu ertragen sei, dann bleibt dem Publikum nur mehr unkontrolliertes Lachen. Noch etwas lernte Edwards von McCarey: dass man die komischen Unglücksfälle zum Crescendo steigern muss. Timing ist alles.

Dazu liefert die Filmschau „Silent Comedians“ Anschauungsmaterial. Programme mit McCareys kurzen Komödien (um Laurel und Hardy sowie Charley Chase) demonstrieren sein Genie der Gag-Konstruktion, andere Klassiker geben ihr eigenes Tempo vor: Charles Chaplin, Harold Lloyd und Buster Keaton (auch als dynamisches Delirium-Duo mit Roscoe „Fatty“ Arbuckle), Karl Valentin, der Franzose Max Linder oder Ernst Lubitsch, dessen Übergang vom Einakter-Darsteller zum Regisseur von musikalisch arrangierten Satiren wie Die Austernprinzessin (1919) nachvollzogen wird.

„Der österreichische Harold Lloyd“

Nicht ganz so flüssig arbeiteten „Cocl und Seff“, ein lange vergessenes Wiener Komikerduo, das ab 1913 für volle Kassen sorgte: Rudolf Walter (1885–1950) war Cocl, Josef Holub (1890–1965) alias Seff unterstützte ihn erst als Nebenfigur, schließlich als vollwertiger Partner. Er wurde als „österreichischer Harold Lloyd“ apostrophiert, auch wenn er nicht dessen Niveau von Witz und Akrobatik erreichte, trotz athletischen Geschicks: In Seff kostet 24,50 Dollar (1920) tarnte er sich etwa als Schaufensterpuppe.

Die paar erhaltenen Kurzgrotesken um Cocl und Seff zeigen typische Situations- und Verwechslungskomik (Wie aus Cocl Asta Pilsen wurde, 1913), doch das Timing holpert: kein Durchbruch der Slapstick-Schmerzgrenze, aber filmhistorisch faszinierend. Die Komiker-Kombi zweier körperlich ungleicher, aber im Intelligenzmangel einander ebenbürtiger Figuren wurde von Gespannen wie Laurel und Hardy oder Pat und Patachon aufgegriffen. Der Kurzfilm Seff als Boy (1920) nimmt sogar die berühmte Spiegelszene aus Die Marx Brothers im Krieg (Duck Soup, 1933) vorweg – wo niemand anderer als Leo McCarey Regie führte. Die Wiener Variante ist im Vergleich zwar nur ein Zerrbild – aber das passt zur anarchischen Ära der Stummfilmkomik. hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.