Müde Ménage-à-trois mit Sophie Rois

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Für das Berliner Beziehungsdrama "Drei" ist der Regisseur Tom Tykwer ("Lola rennt") nach langer Zeit in seine Heimat Deutschland zurückgekehrt: bedeutungsschwanger und unglaubwürdig. Ab Freitag in den Kinos.

Zwei Eisenbahn-Stromleitungen rasen im Bild vorbei, dazu wird die Stichwortfassung eines Lebens samt Paarbeziehung heruntergerattert. Beim Satz „Du bist tot“ verschwindet die erste Stromleitung aus dem Sichtfeld, bei den Worten „Ich auch“ die zweite. Tom Tykwer liefert noch vor dem Vorspann seines Beziehungsdramas Drei das erste inszenatorische Kabinettstück: ein metaphorischer Ausblick auf die Situation des in Berlin lebenden Bohème-Paars Hanna und Simon (Sophie Rois, Sebastian Schipper).

Der Vorspann beschreibt dasselbe nochmal, mit überlappendem Ton und Split-Screen-Dauerfeuer. Gleich danach ein ausgedehntes Ballett von Sasha Waltz als abstrakter Pas de trois vor weißem Hintergrund, der die Affäre(n) vorwegnimmt, die Hanna und Simon unabhängig voneinander mit Adam (Devid Striesow) beginnen.

Der deutsche Regisseur Tom Tykwer hat sich also wieder viel vorgenommen, auch wenn er wieder einmal gar nicht so viel zu erzählen hat. Drei ist sein erster Film in der Heimat seit Langem und beschwört seinen ersten großen Zeitgeist-Hit Lola rennt mit einer Vielzahl an modischen Mätzchen und originellen Zwischenspielen.

Von Karl Marx zu Jeff Koons

Doch damit nicht genug: Es hagelt Handlungshaken, die den Anschein von Langeweile verhindern, und kulturelle Referenzen, die den Anspruch auf Bedeutsamkeit untermauern sollen. Kaum wird bei Simon Hodenkrebs vermutet (sein Arzt liest „Das Kapital“), kommt seine Mama (Angela Winkler) und erzählt von ihrem unheilbaren Krebs. Ihr Selbstmordversuch sorgt für eine kurze Zahlenmystik-Einlage mit vielen Daten, Zeiten, Ziffern, der Geist verlässt schließlich in einer schwarz-weißen Fantasieszene den Körper und kehrt prompt als Hesse-Lieblingsgedichte zitierender digitaler Engel wieder. Indes hat Hanna beim Vortrag des Gentechnikers Adam erotische Visionen (mit Jeff Koons und Cicciolina): Just in der Nacht von Simons für „sofort“ anberaumter Hodenoperation steigt sie mit dem anderen ins Bett. Am nächsten Tag erscheint sie an Simons Krankenbett für eine Burka-Debatte.

Glaubwürdigkeit spielt in Tykwers Schicksalsschlag-Serien keine Rolle. Im schwungvollen Durcheinander der Gefühle und beliebigen Ideen verpufft die versuchte Befindlichkeitsstudie eines Milieus – wie ein artifizielles Abziehbild von Romuald Karmakars konzentriertem Beziehungsbild Die Nacht singt ihre Lieder. Abgesehen vom (unaufgeregt gezeigten) homosexuellen Aspekt der Ménage-à-trois hat sich sonst seit Truffauts Jules and Jim offenbar wenig getan: Tykwers manierierte Vision der „befreiten“ Dreisamkeit ist im Kern durch und durch spießbürgerlich. Wie die geschmäcklerischen Leben seiner oberflächlichen Kunstfiguren, denen drei gute Hauptdarsteller Leben einzuhauchen versuchen (Rois: angespannt; Schipper: abgespannt; Striesow: entspannt). Tykwer sagt, er wollte einen Film über Leute machen, „die ich wirklich zu kennen glaube“. Man hofft, sie niemals selbst zu treffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2011)

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