James Franco: Talent im Überfluss

Er ist der neue Lieblingsintellektuelle Hollywoods: James Franco ist nicht nur Schauspieler, sondern auch Akademiker, Künstler und Schriftsteller.

Man kann nur hoffen, dass James Franco ein widerstandsfähiges Herz hat. Denn wenn man sich den Lebenslauf des Mittdreißigers so ansieht, bekommt man den Eindruck, dass er eine recht hohe Stresstoleranz haben muss. Es hilft aber schon, dass er nur vier Stunden Schlaf in der Nacht braucht. Das Pensum, das er derzeit zu bewältigen hat, ist normalerweise für drei verschiedene Menschen schon viel. Derzeit dreht er einen Film über einen alkoholkranken Dichter, bereitet sich auf seine Oscar-Moderation vor (nominiert ist er übrigens auch), besucht die Berlinale, bei der Kunstwerke von ihm ausgestellt werden. Außerdem hat er vor Kurzem sein erstes Buch („Palo Alto“) veröffentlicht, und neben all dem studiert er natürlich. Mehrere Masters of Fine Arts hat er schon, ein „zeitgenössischer Renaissance-Mensch“ wird er von manchen Medien beeindruckt bis ungläubig genannt. Wenn wichtige Vorlesungen stattfinden und James Franco gerade am Set ist, lässt er sich diese von seinen Kommilitonen aufnehmen und spielt sie dann in der Nacht zu Lernzwecken ab. Wie gesagt, vier Stunden Schlaf reichen auch. Das alles ist so übermenschlich, dass in den letzten Wochen schon Vermutungen aufkamen, James Franco sei nur die Erfindung eines „neoironischen Künstlerkollektivs“.

Künstlerseele

Aber glücklicherweise gibt es die Momente, die sogar James Franco wirklich erscheinen lassen. Etwa als beim Gruppeninterview ein Journalist Francos schauspielerische Leistung infrage stellte. Der Augenblick, in dem sich Franco von einem charmanten, lässigen Star in ein beleidigtes, sensibles und vor allem unsicheres Künstlerseelchen verwandelte. Diese Verwundbarkeit, seine Angewohnheit, jede freie Minute mit einem Buch aufzufüllen, und die kleinen Filme, die Franco auf die Website funnyordie.com stellt und in denen er sich über seine Künstlerseele lustig macht: Gerade das macht den aufstrebenden Star menschlich. Der Mann ist ein Arbeitstier und spricht gern langwierig über seine Schauspielmethoden. Aber es ist fast schon garantiert, dass Franco mit seinem neuesten Film „127 Hours“ und dem Remake der „Planet der Affen“-Filme der Sprung in die Liste der begehrtesten Filmschauspieler gelungen ist. Da ist es gut zu wissen, dass er nicht zur ewig banalen Hollywoodmasse gehört.

Franco ist hierzulande wohl vor allem für seine Nebenrolle des Harry Osborn in der „Spiderman“-Trilogie bekannt, der erst Freund, dann erbitterter Feind des Spinnenmannes ist. Sein Potenzial als Kassenmagnet ist seit seiner Titelrolle im Biopic „James Dean“ bekannt, aber obwohl der gebürtige Kalifornier seit seinem 17. Lebensjahr ununterbrochen dreht, schien ihm bis dato der Durchbruch nicht zu gelingen. Der Presserummel und die obligate Wahl zum schönsten Mann dagegen blieb dem zurückhaltenden James nicht erspart.

Als er sich in den Stuhl gegenüber fallen lässt, steht eines fest: James Franco ist weder an irgendwelchen Rankings noch am Blitzlichtgewitter rund um seinen neuesten Film interessiert. Er gehört jener in Hollywood seltenen Spezies der Alleskönner mit L’art-pour-l’art-Einstellung an.

Brutales Kammerspiel

TIPP

Es ist unschwer zu erkennen, warum James Franco in der Highschool-Zeit den Titel „Bestes Lächeln“ gewann. Nach einer Ewigkeit aus hypnotisch-intensivem Augenkontakt und Perioden gelangweilten Informationsflusses bricht James’ Lächeln wie ein Sonnenstrahl durch die Wolken und kündigt an, dass hier und jetzt endlich der Mann hinter dem Künstler hervortritt. Er lacht darüber, dass er die Schauspielerei jetzt nicht mehr so ernst nehme wie einst: „Zugegeben, ich war früher sehr aggressiv in meinem Zugang zur Schauspielerei, und das hat meiner Leistung eher geschadet. Heute denke ich anders darüber. Ich arbeite immer noch hart, aber es geht mir dabei um meine eigene geistige Gesundheit und mein Wohl.“

Danny Boyle führte Regie bei „127 Hours“ mit Franco, der Geschichte von Aron Ralston, der beim Klettern in Utah in eine gefährliche Situation gerät. Sein rechter Unterarm wird unter einem Felsbrocken eingeklemmt, alleine eiserner Wille und eine verzweifelte Tat retten ihn. Eine ungewöhnliche cineastische Herausforderung: zum einen ein realer, lebender Protagonist, zum anderen ein sehr begrenztes Set. Boyle beschloss, jeder Aufnahme 15 bis 20 Minuten Laufzeit zu lassen, um Francos Arbeit so organisch wie möglich zu machen. „Es hat ein gutes Stück an Vertrauen gebraucht, mir ein paar Hinweise zu geben und mich dann meinen eigenen Weg finden zu lassen. Und dank der Technik, der Kameras, die Danny verwendet hat, konnte er diese langen Zeitspannen filmen und zugleich sehr mobil drehen. Ich habe viel gelernt von Danny.“

Aron Ralston hat Franco Videomaterial seiner qualvollen Stunden gezeigt. „Er erzählte uns stundenlang, was er durchgemacht hatte. Aber diese Videos, das ist Aron mittendrin in der Situation, Aron, der nicht weiß, ob er überleben wird. Dieser Aron weiß nicht, dass alles ein gutes Ende haben wird. Als Schauspieler versuche ich, die ganze Situation in mich aufzunehmen, das Verhalten eines Mannes, der davon überzeugt ist, dass er sterben wird, und der versucht, möglichst seine Würde zu bewahren, denn diese Videos werden vielleicht das Letzte sein, das seine Familie von ihm sieht."

127 Hours
ab 18. 2. im Kino

"Palo Alto" (Faber and Faber) Ausstellung "The Dangerous Book Four Boys", Peres Projects Berlin
www.peresprojects.com

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