"Rango": Ein Western-Ausflug im Hawaiihemd

(c) AP (Industrial Light & Magic)
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Johnny Depp als Chamäleon "Rango": Hunter S. Thompson trifft Django in der familienfreundlichen Westernkomödie vom "Fluch der Karibik"-Team. Amüsant trotz eines überzogenen Finales. Ab Donnerstag in den Kinos.

Ein Chamäleon im Hawaiihemd wandert auf der Suche nach sich selbst durch die Mojave-Wüste: Was sich nach einer weiteren drogengeschwängerten Episode im literarischen Werk des Hawaiihemd-Fanatikers Hunter S.Thompson anhört, ist der Ausgangspunkt eines durchaus familienfreundlichen und (bis auf einige rauchende Antagonisten) auch rauschmittelfreien Animationsfilms. Rango heißen Chamäleon und Film: Das schlaksige Reptil (gesprochen von Johnny Depp) stürzt gleich zu Beginn vom Umzugslaster aus einem mit Aufziehfischen und mehr Plastikramsch angefüllten Terrarium, hängt kurzzeitig an der Windschutzscheibe eines anderen Autos – gesteuert von einem glatzköpfigen Mann mit Brille, der tatsächlich aussieht wie Hunter S. Thompson! –, bevor es auf dem Wüsten-Highway liegen bleibt. Und sich der Hitze wegen gleich mehrfach häutet.

Ein platt gefahrenes Gürteltier schickt das durstige Chamäleon dann ins Nichts: „Bevor du Wasser findest, musst du ,Dirt‘ finden.“ „Dirt“ ist ein Wüstenkaff zwischen Italowestern und Disneyworld, das Regisseur Gore Verbinski (Fluch der Karibik) mit allerlei grotesken, liebenswürdigen Figuren bevölkert. Rango bezieht sich in Titel wie Ästhetik auf Sergio Corbuccis stilprägenden Spaghettiwestern Django: Schuppen, Gefieder und Borsten ersetzen den Schweiß und Dreck des Realfilms mit all seinen von Hitze und Schusswechseln gebeutelten Figuren.

Ein scheues Reptil wird zum Helden

Die klaren Reißbrett-Charakterisierungen des Western-Genres passen perfekt in Verbinskis Kunterbunt-Universum: Eine resolute Eidechsenjungfrau (Isla Fisher) wird von Rango angeschmachtet, die Story kreist um (vermutlich) kriminelle Machenschaften des gönnerhaften Schildkröten-Bürgermeisters Tortoise John (Ned Beatty). Während der in seinem holzvertäfelten Büro Frischwasser verprasst, droht „Dirt“ nach wochenlanger Dürre auszutrocknen. Zeit für Neo-Sheriff Rango, dieses Mysterium zu untersuchen.

Der Film funktioniert vorwiegend als Selbstermächtigungserzählung aus der Perspektive eines ewigen Außenseiters: Nach und nach erlernt das von Natur aus scheue und anpassungsfreudige Reptil Heldenmut, bis es gegen Ende hin gemeinsam mit seiner Truppe den Systemumsturz probt. Johnny Depp spricht das Chamäleon nicht nur, Rango ist auch eine Zusammenfassung der verschrobenen, in sich versunkenen Figuren, aus denen der Amerikaner seine beeindruckende Karriere gebaut hat. Bis in kleinste Details wie Körperhaltungen und Gestik ist ihm das Reptil nachempfunden: Depps Rolle in der kultisch verehrten Adaption von Hunter S. Thompsons Fear and Loathing in Las Vegas klingt da ebenso an wie die ikonische Figur Jack Sparrow, die der Schauspieler für Regisseur Verbinskis Fluch der Karibik-Filme kreiert hat. Wie dieser postklassische Pirat stolpert auch Überlebenskünstler Rango zufällig in ein Action-Gewitter – und kraft seiner Tollpatschigkeit und Unvernunft unverletzt durch selbiges hindurch.

Rango plagt allerdings, wie schon die Piratenfilme zuvor, eine inszenatorische Fahrigkeit: Während die erste Hälfte noch konzentriert und sorgsam konstruiert wirkt, türmen sich gen Finale die spektakulären Actionszenen, Wendungen und Erleuchtungserlebnisse übereinander auf, während das Leitmotiv und damit der Kern der Geschichte schon röchelnd im Staub liegt.

Aus der Effekteschmiede von George Lucas

Rango ist der erste Computeranimationsfilm von George Lucas' Spezialeffektschmiede „Industrial Light & Magic“ (ILM): Damit schiebt sich wieder ein neuer Teilnehmer in die Arena des Hollywood-Animationsfilms, die sich zwar in puncto Budget und Marktmacht immer mehr ausweitet, sich aber gleichzeitig inszenatorisch und ästhetisch immer mehr verengt. Denn durchgelassen wird nur mehr, was das größte kommerzielle Potenzial hat. Und im Moment ist das eben ein Chamäleon im Hawaiihemd, das an Johnny Depp erinnert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2011)

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