Gojko Mitić: "Winnetous Kluft ist ein Witz!"

Gojko Miti Winnetous Kluft
Gojko Miti Winnetous Kluft(c) AP (LINDSAY PIERCE)
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Der gebürtige Jugoslawe Gojko Mitić wurde als DDR-Indianerdarsteller zum Superstar. Reiner Zufall, sagt er. Ein Gespräch über seine Karriere und die Wahrheit hinter den Western.

Auch 45 Jahre später gibt sich Gojko Mitić bescheiden: „Es war reiner Zufall, dass ich zum Star geworden bin!“ Der 1940 in Jugoslawien geborene Schauspieler war sogar der einzige regelrechte Superstar der DDR: Als das Ost-Filmstudio DEFA auf die westdeutschen Karl-May-Adaptionen mit engagierten „Indianerfilmen“ antwortete, wurden die zu Kassenknüllern – und ihr unverzichtbarer Hauptdarsteller Mitić als „Winnetou des Ostens“ zum Volkshelden. Dekaden später ist seine Popularität ungebrochen: Wie viele deutsche Schauspieler gibt es schon, deren Konterfei auf T-Shirts oder Tassen prangt, die bei Webhändlern wie Amazon zu den Longsellern zählen?


Kapriolen mit Klaus Kinski. Mitić sieht es ganz gelassen: Er habe nur Glück gehabt. Wie einige Belgrader Sportstudenten verdiente er sich ein Zubrot als Stuntman bei internationalen Filmproduktionen, die in Jugoslawien gedreht wurden. „Meine allererste Aufgabe war 1963 ein Ritterfilm über Lancelot: Cornel Wilde führte Regie und spielte die Hauptrolle. Er wählte mich gleich als sein Double! Dann kamen auch schon kleine Rollen, immer interessantere Parts in den westdeutschen Winnetou-Filmen – und interessante Bekanntschaften. Wie Klaus Kinski, der beim Dreh oft einfach nicht da war: Dann saß ich auf meinem Pferd und wartete... kein Kinski! Einmal eilte Kinski ins Produktionsbüro und fragte, ob man sein Geld schon überwiesen hatte: Er müsse seiner Frau einen Jaguar kaufen! ,Aber Herr Kinski, kaufen Sie ihr doch einen richtigen Jaguar! Dann sind Sie sie los!‘, war die schlagfertige Antwort.“

So hätte es weitergehen sollen, eine größere Rolle im nächsten Karl-May-Abenteuer war geplant – da kam der Zufall: „Ich wollte eigentlich Ski fahren, hatte alles eingepackt und stand schon vor der Tür – da höre ich ein Klingeln. Hartnäckig. Soll ich ans Telefon gehen oder nicht? Schließlich gab ich mir einen Ruck. Am anderen Ende der Leitung eine völlig aufgeregte Sekretärin: ,Die DEFA ist hier, sie wollen Sie unbedingt sprechen!‘ Die suchten nach Motiven und einem Hauptdarsteller. Als ich ankam und die Frage ,Können Sie reiten?‘ auf Deutsch beantwortete, hatte ich schon gewonnen: ,Wunderbar, das ist unser Tokei-Ihto.‘ Tokei-Ihto? Ich hatte natürlich keine Ahnung, was das heißen sollte!“ Es war die Hauptrolle im ersten Indianerfilm, Die Söhne der großen Bärin (1966), nach dem Erfolgsroman von Lieselotte Welskopf-Henrich. „Wär ich damals nicht ans Telefon gegangen, dann säße ich jetzt nicht hier. Hier ist das Linzer Filmfestival „Crossing Europe“, wo Mitić als Stargast einige seiner Western präsentiert: Mit 70 Jahren wirkt er noch immer so sportlich wie einst. „Vor meinem Haus in Berlin ist der Fluss, da paddel' ich morgens zwei Stunden im Kanu oder ich fahre Rad.“ Den Rückblick auf die Karriere geht Mitić ebenso locker an. Schauspielunterricht? „Hab ich dann privat gemacht, aber das Beste ist eigentlich Learning by Doing.“


Geschichtskorrektur. An Gelegenheiten dazu herrschte nach dem Erfolg des ersten Indianerfilms kein Mangel. In der nächsten Dekade folgte jedes Jahr ein Western mit Mitić in der Hauptrolle, meist als Häuptling, wobei es auch um (politisch) korrekte Gegenvisionen zum Indianerbild Hollywoods ging. „In Jugoslawien sahen wir die Hollywoodfilme ja im Paket“, erinnert sich Mitić, „und als Kind habe ich natürlich John Wayne geliebt. Als wir Cowboys und Indianer spielten, wollte ich immer der gute Cowboy sein, nie der böse Indianer. Aber wenn man dann erfährt, wie der Westen wirklich erobert wurde .. .“ Mitić beteiligte sich an der Stoffentwicklung, zeichnete auch als Koautor: „In Apachen (1973) griffen wir das Massaker von Santa Rita auf. Spur des Falken (1968) erzählt vom Vertragsbruch: Wie man den Lakota-Sioux ihre heiligen Berge, die Black Hills, nahm, nachdem dort Gold gefunden wurde.“ Der Seminolenfeldzug, in US-Western kaum je behandelt, lieferte den Hintergrund für Osceola (1971): „Der läuft sogar in einem Museum im Florida, weil unsere Version viel näher dran ist an der Geschichte“, sagt Mitić stolz. Das Recherchematerial für die Indianerfilme kam ironischerweise oft aus den USA: „Es gab so viele interessante Tagebücher, mit den Regisseuren habe ich immer Material aus der Bibliothek von Tucson bestellt – bis die Amis dahinterkamen. Dann war sofort Schluss!“

Problem Friedenspfeife. Historiker und Ethnografen wurden herangezogen: „Das sieht man auch bei der Kleidung: Was etwa Winnetou als Apache trägt, ist doch zum Lachen – der hätte sich in der Kluft totgeschwitzt.“ Den Winnetou-Part hat Mitić jedoch selbst später bei den Karl-May-Festspielen gespielt, dem Rollenfach ist er trotz vielseitiger Versuche nie ganz entkommen. „Ich habe es immer versucht: Darum ließen wir schon am Ende des dritten Indianerfilms meine Figur sterben – doch es hagelte Proteste.“ Heute ist Mitić vor allem in TV-Serien zu sehen, ein lustiger Auftritt kommt bald bei „Soko Leipzig“. Da spielt Mitić sich selbst – er gerät unter Mordverdacht, als ein Karl-May-Forscher beseitigt wird. „Das war ein Spaß“, sagt der stets gut gelaunte Schauspielathlet. Gab es in seiner Karriere eigentlich etwas, das ihm wirklich schwerfiel? „Ja, im ersten Indianerfilm musste ich die Friedenspfeife rauchen – als Nichtraucher musste ich die Szene 20 Mal wiederholen!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2011)

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