Zeiler: „Wir wussten, dass wir heiße Kandidaten sind!“

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Johannes Zeiler, Protagonist des „Faust“-Films, der in Venedig den Goldenen Löwen gewann, spricht über die Faszination des düsteren Doktors, der mit schuld ist, dass der gebürtige Steirer Schauspieler wurde.

Die Presse: Wird Alexander Sokurovs „Faust“-Film, der in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, in Österreich gezeigt?

Johannes Zeiler: Ich hoffe! Durch den Preis ist es leichter, für einen solchen Film einen Verleih zu finden. Es ist ein Arthouse-Film. Da sind nicht Millionen Besucher zu erwarten. Ich denke aber, dass es in Deutschland klappen wird und dann vielleicht auch in Österreich. In Großbritannien wird der Film laufen, die Italiener wollen ihn synchronisieren, aber dadurch würde er viel verlieren. Die deutsche Sprache ist essenziell.

Dieser „Faust“ ist Ihre wichtigste Rolle bisher?

Absolut. Ich war von Anfang an überzeugt von dem Drehbuch. Faust, das ist ein Name, aber was wirklich drin steckt in diesem Projekt – das hat mich von Anfang an fasziniert.

„Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ Der Film spart das Spirituelle eher aus. Was passiert mit Faust am Ende?

Ich glaube, der Satz kommt vor, es gibt ja eine Unzahl von Textflächen aus dem Original von Goethes „Faust“, die später eingefügt wurden. Das Ende des Films ist offen. Faust tötet den Wucherer, die Mephisto-Figur, aber das ist nicht sicher. Faust geht auf eine riesige Gletscherlandschaft zu. Er hört noch einmal Gretchens Stimme, eine Parallele zur Mater gloriosa im letzten Akt von „Faust II“. Ich habe jetzt erstmals den Film in der Originalversion gesehen. Es ist Interpretationssache. Man kann diesen Schluss als Auflösung betrachten oder als Übergang in eine Welt, die weder Tod noch Leben kennt. Einer der letzten Sätze des Wucherers ist: „Du bist verdammt zum ewigen Leben, aber zum ewigen Alleinsein auch.“

Was denken Sie, was geschieht nach dem Tod?

Ich bin katholisch erzogen worden. Aber im Laufe des Lebens macht man doch, wenn man ehrlich zu sich selber ist, seine Abstriche. Ich bin überzeugt, dass da was kommt, nach dem Tod, aber ich weiß nicht was.

Die meisten begegnen dem „Faust“ in der Schule.

Ich hatte einen Lehrer, der Schauspieler werden wollte. Er war gefürchtet. Er hat, ohne auf den Lehrplan zu achten, „Faust I“ und „Faust II“ ein ganzes Jahr in Deutsch durchgenommen. Ich war damals so 15, 16. Da hat man normalerweise andere Interessen. Aber ich war diesem Lehrer sehr zugetan, da ich mit 14 Jahren an einem sogenannten Balladen-Wettbewerb teilgenommen hatte. Und dieser Lehrer hat erkannt: Hoppla, da ist was. Und er hat mit mir ein bisschen an Theaterrollen gearbeitet. Das hat sich dann leider verlaufen, aber wenn das nicht passiert wäre, hätte ich sicher kein ganzes Jahr „Faust“ im Unterricht ertragen.

Sie haben in Peter Steins „Faust“-Ensemble gespielt. Wie war diese Arbeit mit ihm?

Wir hatten zwei Wochen Vorbereitung mit Peter Stein auf die „Faust“-Proben. Da hat er uns den gesamten „Faust II“ vorgelesen und erklärt. Das war wirklich wahnsinnig interessant und äußerst lebendig. Ich habe Gott, den Herrn, im „Vorspiel auf dem Theater“ gespielt, die Figur des Seismos, der Berge aufstellt, drückt und stemmt – und den Wanderer bei der Eröffnung des fünften Aktes. Dazwischen habe ich in den Chören, in kleinen und Kleinstrollen mitgemacht.

Erzählen Sie mehr von dem „Faust“-Film, den wenige Leute aus Wien schon gesehen haben.

„Faust“ wird am Beginn vorgestellt. Er ist Doktor der Medizin, Juristerei, Philosophie und leider auch Theologie – wie es bei Goethe steht. In unserem Fall ist er ganz konkret Arzt. Er seziert Leichen und sucht nach dem Sitz der Seele. Er findet keine. Er übersetzt das Johannes-Evangelium, aber er kommt nicht weiter. Sein Hauptproblem ist, er hat kein Geld, er hat nicht einmal etwas zu essen. Sein Vater ist ebenfalls Arzt, aber er weist ihn rüde ab und sagt zu Faust: Du musst arbeiten, dann bekommst du auch etwas zu essen. Faust will einen Ring verkaufen und geht zu dem Wucherer. Der aber sagt: „Ich weiß nicht, ob ich den Ring kaufen will.“ Der Wucherer kommt dann zu ihm. Von da an ist klar, dass er Faust einkassiert. Faust verjüngt sich, Mephisto wird immer älter. Der Darsteller des Wucherers ist ein russischstämmiger Tänzer, ganz hager, athletisch, beweglich. Im Film ist er ausgestopft, sehr dick, behäbig. Einmal sieht man Mephisto nackt. Er hat verkümmerte Flügel, die wie Hautlappen aussehen. Das sind aber alles Details. Der Film ist ein sehr komplexes Werk. Wir haben insgesamt knapp drei Monate gedreht: in Island und Tschechien.

Wie war es für Sie in Venedig – vor der Verleihung des Goldenen Löwen? Waren Sie aufgeregt?

Ja, sehr! Ich bin letzten Donnerstag nach Venedig geflogen. Da war die Präsentation, am Vortag war die Pressevorführung. Wir wussten schon, wir sind heiße Kandidaten, in welcher Kategorie auch immer. Ich hatte auch als „Best Actor“ eine Chance. Aber ich muss wirklich sagen, es ist mir sehr recht so, wie es ist. Es wäre eine Ungerechtigkeit gegenüber der Arbeit aller gewesen, wenn ich ausgezeichnet worden wäre. Sokurov hat den Film gemacht, er hat den Goldenen Löwen bekommen und wir damit alle auch.

Sind Sie jetzt mit einem Schlag berühmt?

Bekannt.

Wird sich Ihr Leben ändern?

Ich hoffe, dass die Auszeichnung viele interessante Angebote bringt und sich eine gewisse Leichtigkeit einstellt im Vergleich zum Leben bisher. Vieles wird erst jetzt möglich, z. B. zu Castings geladen zu werden.

Was machen Sie als Nächstes?

Ich drehe mit Harald Krassnitzer eine neue Serie, die „Der Mediator“ heißt. Es geht um die Schlichtung von Streitigkeiten, Ehe, Arbeit usw. Ich spiele seinen Bruder. Die Dreharbeiten dauern bis Oktober. Parallel dazu mache ich in Tschechien die Fortsetzung der „Wanderhure“, mit dem Titel „Die Kastellanin“, ein Historienfilm, der im Mittelalter spielt. Im Schauspielhaus spiele ich im Winter den „Geizigen“, aber in einer modernen Version des Molière-Stückes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2011)

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