„Meek's Cutoff“: In einem toten Western-Universum

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Vormoderne auf dem Oregon Trail: Regisseurin Kelly Reichardt verweigert populäre Wildwest-Erzählmuster – und landet in der Leere. Nicht viel gibt es während der zwei Stunden, das einen bei der Stange halten kann.

Als Genre gehört der Western, jedenfalls in der kommerziellen Logik Hollywoods, der Vergangenheit an. Als Referenz-Universum ist er allerdings spätestens seit George W. Bushs Wildwest-Politik so gegenwärtig wie selten zuvor. Mit klassischen Westernaufbauten will Kelly Reichardts Meek's Cutoff allerdings nichts zu tun haben: keine Revolverhelden, kein ausmachbarer Antagonist, nicht einmal ein Schusswechsel, sondern nur die Weite Oregons mit ein paar drübergestreuten Felsen und Grasbüscheln und ein kleiner Menschentreck, der sich durch die erdfarbene Ödnis schleppt. Die Gesichter ausgemergelt, aber in den Augen leuchtet noch die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf einen Flecken Land und Glück.

Ein Pfad durch Staub und Dreck

Der Oregon Trail, 3500 Kilometer lang, der durch Wüsten, Steppen und schließlich über die Rocky Mountains führte, war im 19. Jahrhundert eine der Hauptrouten für Siedler auf dem Weg durch die USA: ein Pfad durch Staub, Dreck und Trockenheit, dessen Ende man in mehreren Wochen erreichen konnte. Viele sind aber schon davor gestorben. Reichardts Pilger folgen einem landkundigen Führer, einem gewissen Stephen Meek. Bruce Greenwood spielt ihn imposant, fast wie einen Wanderprediger, dem die Schäfchen bis in den Tod folgen. Seine Sätze nuschelt er selbstgewiss in den Bart hinein, auch dann noch, als ihm einige beginnen zu misstrauen. Meek hat den Treck von der etablierten Route auf eine Abkürzung (den „Cutoff“ aus dem Titel) geführt. Mittlerweile sind mehrere Wochen vergangen und kein Ende ist in Sicht. Unrast macht sich breit, und eine junge Frau (Michelle Williams), zunächst unscheinbar, beginnt, eigene Entscheidungen zu treffen, nimmt schließlich selbst das Gewehr in die Hand.

Erstaunlich minimalistisch

Was folgt, ist ein Systemumsturz. Wer schon einen Film von Kelly Reichardt (etwa Old Joy oder Wendy & Lucy) gesehen hat, der weiß, dass diese 1964 in Miami geborene Regisseurin auf dramaturgische Konventionen verzichtet: Ihre Geschichten sind einfach gestrickt, zumeist gebaut um ein, zwei Personen. Eine klassische Handlung gibt es nicht, eher ein Reagieren auf und Interagieren mit der Umwelt. So gesehen ist Meek's Cutoff mit seinem Dutzend von Siedlern für Reichardts Verhältnisse fast schon ein Ensemblestück. Und wo ihre anderen Filme immer eine Bewegung von der Zivilisation weg und einen Flirt mit der Wildnis und ihren Gefahren beschrieben haben, rollt Meek's Cutoff unaufhörlich auf die erhoffte Zivilisation zu – und geht verloren.

Das Vormoderne, das pulsiert im Herzen dieses Films. Es geht um basale gesellschaftliche Machtstrukturen und Kommunikationsmuster. Etwa auch dann, wenn ein amerikanischer Ureinwohner gefangen genommen wird und den Siedlern den Weg zum Wasser weisen soll.

Formal gibt sich Meek's Cutoff aller Wildnis zum Trotz erstaunlich konzentriert und minimalistisch: Nicht viel gibt es während der zwei Stunden, das einen ernähren und bei der Stange halten kann. Es ist ironischerweise gerade Kelly Reichardts Weigerung, sich mit populären Erzählmustern zu arrangieren, die ihrem visuell außergewöhnlichen Film das Genick bricht.

Meek's Cutoff liegt irgendwann vor einem wie ein totes Rindvieh, ist nichts mehr als das Postulat, dass ein Western auch so aussehen kann und eben nicht immer ein Peng-Peng braucht. Stimmt nicht, denn der Kopf füllt die Leere in Reichardts Film schnell aus: mit all den John Waynes und Dean Martins des Western-Universums.

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