Ernste Kunst, nur leider sehr lustig

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Die Experimentalfilme von Morgan Fisher sind Meilensteine der Moderne. Eine feine Schau stellt dazu sein ebenso konsequentes Werk als Maler vor.

Der US-Künstler Morgan Fisher betont gelegentlich, wie ernst es ihm mit seinem Werk sei. Etwa der Kurzfilm „Picture and Sound Rushes“, in dem er 1973 auf schlagende Weise das Verhältnis zwischen Bild und Ton demonstrierte, indem er es zugleich, zumindest nach konventionellen Maßstäben, ruinierte. „Ein ernsthafter Film“, sagt Fisher, um bezeichnenderweise anzufügen: „Leider ist er auch extrem lustig.“ Als er den Film das erste Mal zeigte, habe ihn das Gelächter des Publikums verstört. Dabei sei es ganz berechtigt gewesen.

Zu sehen ist eine ungeschnittene Einstellung von Fisher selbst, der gründlich und trocken das Konzept des Films erläutert. Vier Grundzustände hat ein Tonfilm: Bild und Ton, Bild ohne Ton, Ton ohne Bild sowie – weder Ton noch Bild. „Picture and Sound Rushes“ durchläuft die Stadien zyklisch, weswegen Teile von Fishers beharrlicher Erklärung nicht hörbar sind, doch genug, um das Prinzip zu begreifen. Die Komik entspringt nicht zuletzt dem Umstand, dass Fisher genau jene Struktur erklärt, die seinen Vortrag unweigerlich unterminiert. Und erst die „Defekte“ erzeugen eine Spannung: Natürlich wünscht man sich die gewohnte gleichzeitige Präsenz von Bild und Ton, doch entdeckt man merkwürdige Reize in den anderen Zuständen und den Regeln, die sie auslösen.

Fishers Genie liegt darin, mit so einfachen Ideen das System Film unterhaltsam und hintersinnig aufzubrechen: Die Logik führt zwangsläufig ins Paradox. Der Kurzfilm „Production Stills“ (1970) zeigt nur Polaroidbilder, die wiederum die einzigen Dokumente der Produktion ebendieses Films sind. Es öffnet sich ein schwindelerregender Raum für vielschichtige philosophische und filmtheoretische Überlegungen: Kein Wunder, dass Fisher mittlerweile auch im Kunstsektor bekannt ist, vor allem dank des halbstündigen Films „Standard Gauge“ (1984), in dem eine autobiografische Erzählung u.a. von seiner Arbeit als Cutter im kommerziellen Kino im Zusammenspiel mit dem spartanischen Bild eine gleichermaßen kritische wie faszinierte Perspektive darauf eröffnet.

Wie Pofesen hergestellte Bilder

Der größte Verdienst der Fisher-Schau „The Frame and Beyond“ ist aber die Kombination von Film-Hauptwerken (in Blackboxes) mit seiner weniger bekannten Arbeit als Maler, die auf verwandte Art Grenzen des Mediums auslotet: Die quasi wie Pofesen zweiseitig hergestellten „French Toast Paintings“ sind eben nicht auf einmal zu betrachten. Fisher verzichtet auf kompositorische Elemente, die gemeinhin als Ausdruck künstlerischer Persönlichkeit gelten, und arbeitet lieber konstruktivistisch. Zu Fishers Zurücknahme passt, dass er seine Bilder erst ab den 1990ern signierte („Es wäre nett, sich zu erinnern, wann ich etwas gemacht habe“). Nur eine Woche nach dem Kanadier Michael Snow kommt mit Fisher eine zweite Hauptfigur der experimentellen Filmmoderne für eine Ausstellung mit angeschlossener Kinoschau (im Mai im Filmmuseum) nach Wien: eine kleine historische Sensation.

Ausstellung und Filmschau

„Morgan Fisher: The Frame and Beyond“ kombiniert einige der berühmtesten Filme des US-Avantgardisten Morgan Fisher mit seinem weniger bekannten Werk als Maler. Generali Foundation (Wiedner Hauptstr. 15), Di–So (und Feiertag): 11–18h, Do: 11–20h.

Symposium und Filmmuseum. Am 11.Mai findet ein Symposium mit Fisher statt.
Sein filmisches Werk präsentiert Fisher am 9. und 10.Mai im Österreichischen Filmmuseum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2012)

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