Mars-Missionen im Kino: Wir bringen Sex und Frieden!

Der Rote Planet ist ein Hauptschauplatz der filmischen Science-Fiction: Ein Überblick – von Trash zur Zivilisationskritik.

Die erdnächsten Planeten sind klar im Vorteil, wenn es darum geht, die menschliche Faszination zu bündeln: Der Mars hat Nachbarin Venus sogar überrundet. Selbst als klar war, dass es dort kein Leben gibt, zügelte das die Fantasie nicht: Der Mars ist ein bevorzugter Science-Fiction-Schauplatz im Kino, das belegt nicht nur die aktuelle Edgar-Rice-Burroughs-Adaption „John Carter“. Das beliebteste Gegenbild – die Invasion der Marsianer – wurde in den letzten Dekaden etwa in Steven Spielbergs Neuverfilmung des Klassikers „War of the Worlds“ beschworen, nachdem es Tim Burton mit seiner Pop-Parodie „Mars Attacks“ eigentlich schon in Schutt und Asche gelegt hatte. Buchstäblich. Samt hämisch kichernden grünen Männchen vom Mars.

Bereits 1910 produzierte Thomas Edison den ersten „Trip to Mars“: Ein Professor überlistet die Schwerkraft und steigt zum Roten Planeten empor, wo er (zunächst) ahnungslos auf der Lippe eines Mars-Riesen landet. 1917 verbreitete der erste Science-Fiction-Langfilm pazifistische Mars-Visionen: Im dänischen Pionierwerk „Das Himmelsschiff“ reist Professor Planetaros samt Sohn dorthin, um eine Bevölkerung friedliebender Vegetarier zu entdecken und der Erde die frohe Botschaft gewaltloser Koexistenz zurückzubringen. Im Sowjet-Epos „Aelita“ trugen hingegen 1924 irdische Mars-Besucher die proletarische Revolution auf einen totalitären Planeten.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Weltraumprogramm-Propagandamaschine unter Wernher von Brauns Einfluss ins Kino schwappte und einen Science-Fiction-Boom auslöste, plädierte der erste Mars-Trip noch für den Frieden: Das „RocketshipX-M“ entdeckte 1950 außerirdische Höhlenmenschen – der karge Rest einer vom Atomkrieg zerstörten Zivilisation. Die antikommunistische Reaktion folgte rasch. Viele Werke spiegelten die „Red Scare“ der 1950er auf den Roten Planeten: „Red Planet Mars“ fusionierte Gottes Stimme, Nazi-Agenten und böse Russen zur bizarren Propaganda. Der sichtliche Trash-Zuwachs erleichterte das Entgleiten ins Lächerliche: Komiker wie die Three Stooges oder Abbot und Costello reisten zum Mars, Daffy Duck schlug sich in genialen Cartoons mit Marvin the Martian herum.

Im Kultfilm „Santa Claus Conquers the Martians“ entführten 1964 ruchlose Marsianer gar den Weihnachtsmann, um Ruhe vor Festtagsbotschaften der Erdlinge zu haben! Doch selbst billigste Mars-Filme erotischer Natur („Over-sexed Rugsuckers from Mars“, 1989) haben den Reiz ernsthafterer Spekulationen nie ganz zerstören können: Vom mehrfach verfilmten britischen Zivilisations-Albtraum „Quatermass and the Pit“ bis zu Brian De Palmas „Mission to Mars“, die 2000 von der Untersuchung der berühmten „Marsgesicht“-Gesteinsformation zur Umdeutung der menschlichen Evolution führte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2012)

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