Batman: Jenseits von Gut und Böse

(c) Dapd (Ron Phillips)
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Mit dem erstaunlich faden Abschluss seiner Superhelden-Trilogie lebt Christopher Nolan seine Idee vom Comicfilm als Gesamtkunstwerk vollends aus. Gut für ihn, weniger für den Film. Ab heute im Kino.

Einst war das Kino ein Fenster zur Welt, in Hollywood ist es längst ein Fenster zu Marketingkonzepten geworden. Abgesehen von gelegentlichen Ausnahmekomödien ist der Blockbuster der letzte verbleibende Beitrag der Traumfabrik zur Weltfilmkultur, mit den Adaptionen von Superhelden-Comics in privilegierter Position: Weiterführungen einer populären nationalen Mythologie mit, dank schon vorhandener Fanzirkel, offensichtlichen Vermarktungsvorteilen. Als kommerzielle Unternehmungen mit globaler Mediendominanz sind sie ohnehin jenseits von Gut und Böse.

Ist das nicht auch der maskierte Übermensch Batman selbst? Das scheint Grundkonzept hinter Christopher Nolans Trilogie gewesen zu sein, die nun mit „The Dark Knight Rises“ ihren Abschluss findet. Das letzte Wort zum Superhelden, jenseits von Gut und Böse: der Comicfilm als Gesamtkunstwerk, ausladend konzipiert, opernhaft übersteigert, voller „relevanter“ Querverweise – eine Art Regietheater für die Multiplexe. Und erst mit dem dritten Teil scheint Nolan ganz da angekommen, wo er hinwollte: gut für ihn, aber nicht unbedingt für den Film.

„Occupy“-Rhetorik und Widersprüche

Mit 164 Minuten Dauer ist „The Dark Knight Rises“ nicht nur der ausuferndste Teil der Trilogie, es ist auch der wirrste: Batman verschwindet zwischendurch inmitten der Vielzahl neuer und wiederkehrender Charaktere. Eingeführt wird er wie Howard Hughes, in seiner Privatexistenz als Multimilliardär Bruce Wayne: ausgebrannt und zurückgezogen (auch von der Verbrechensbekämpfung) in seinem Riesenanwesen. Nolans wackerer Batman-Darsteller Christian Bale nimmt es gelassen hin, als Symbol der Ernsthaftigkeit seines Regisseurs mit Verbissenheit zu posieren: Der private Ruin soll ihn ein bisschen menschlicher machen, aber am Ende ist er doch wieder nur Maskenmann mit roboterhafter Grabesstimme.

Damit schneidet er besser ab als sein designierter Gegenspieler Bane (Tom Hardy), eine Art Wrestler-Psychopath mit merkwürdiger Maulkorb-Atemvorrichtung, die ihn zwar bedrohlich aussehen – aber ihn beim Sprechen in hohen Tönen säuseln lässt. Wie die ironischen Bösewichter, die Horrorikone Vincent Price spielte. Ironie und Humor liegen Nolan aber herzlich wenig. Das belegt ein zweiter Neuzugang, Diebin Selina Kyle (alias Catwoman, was im Film nie gesagt wird): Anne Hathaway macht in engem Latex gute Figur, doch ihre Screwball-Dialoge beim Pas de deux mit Batman verpuffen in der drückenden Apokalyptik des Films. Dafür darf sie das drohende Unheil mit – gar nicht zu ihrer mondänen Eleganz passender – „Occupy“-Rhetorik vorwegnehmen: „Ein Sturm wird kommen.“ Dafür sorgt Bane, der in einem James-Bond-Anfang bei der spektakulären Sabotageaktion in einem Flugzeug eingeführt wird. Dann kommt er nach Gotham City, um Bruce Wayne zu ruinieren und Chaos zu stiften: Die Unzufriedenheit der 99 Prozent nützt er zum Entfachen eines Aufstands, unter besonderer Beteiligung freigelassener Krimineller – was den allegorischen Ansatz eher gleich wieder unterminiert.

Überhaupt wird der Klassenkampf sogleich zum Terrorregime – „Occupy“ als französische Revolution, mit Instant-Tribunalen, bei denen der psychopathische Scarecrow (Cilian Murphy) präsidiert. Andererseits verbringt der Großteil der angeblich revoltierenden Massen den Rest des Films in ängstlichen Rückzugsgefechten. Wegen des nuklearen Sprengsatzes, den Bane zünden will. Ergibt logisch noch weniger Sinn, sorgt aber für die besten Szenen des Films: Seine Ankündigung unterstreicht Bane mit einer eindrucksvollen Serie von Explosionen, die im Panoramaformat die Stadt verwüsten. In der Klarheit seiner Action-Inszenierung hat Nolan unbestreitbar Fortschritte gemacht.

Zwei großartige Szenen für Michael Caine

Die Motivation der Action bleibt allerdings, ebenso wie die der Charaktere, schmerzlich unterentwickelt. Nur Michael Caine als treuer Butler Alfred demonstriert in zwei viel zu kurzen Szenen souverän, welches emotionale Potenzial eigentlich vorhanden wäre. Stattdessen soll Hans Zimmers unerbittlich pumpender Soundtrack für Spannungsersatz sorgen. Ohne einen Gegenspieler wie den Joker, dessen Anarchie Nolans zweitem Batman-Film buchstäblich den Brennpunkt gab, bleibt aber nur ein größtenteils erstaunlich langatmiges Arrangement von Versatzstücken mit dem staubigen Retroflair von 1980er-Untergangsszenarien. Bei allem Bemühen, die Batman-Trilogie als die große Popkultur-Paraphrase zu 9/11 und dem War on Terror zu zelebrieren: Selbst die erstmalige Verwendung von Wahrzeichen New Yorks im (aus mehreren Städten komponierten) Gotham City des Films bringt den Film der Wirklichkeit nicht näher – als Politkommentar bleibt er Gestammel. Als Mythos nur zeitgeistig aufgewärmte Überambition. Auch darin: jenseits von Gut und Böse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2012)

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