Resident Evil: Milla Jovovich in Musical-Ekstase

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Paul W. S. Andersons Erfolgsserie von Videospielverfilmungen bietet famose Frauenaction und superbes Genrekino. Ein übersehenes Phänomen. Der fünfte Teil der Reihe „Resident Evil: Retribution“ ist jetzt im Kino.

Die regelmäßigen Klagen, dass es kaum Actionfilme mit Frauen gebe, führt die „Resident Evil“-Filmserie ad absurdum. Frei nach der gleichnamigen Videospielreihe macht darin seit 2002 Model Milla Jovovich gute Figur als in graziösen Choreografien Zombies metzelnde Einzelkämpferin, umgeben von anderen starken Frauen wie Michelle Rodriguez, die im eben erschienenen fünften Film „Resident Evil: Retribution“ sogar eine ziemlich amüsant konzipierte Doppelrolle hat.

Die mittel budgetierte Action-Reihe ist auch der größte Hit im stets großspurig angestrebten, aber selten zündenden internationalen Koproduktionskino made in Germany: Eingefädelt bei der Constantin Film unter dem verstorbenen, megalomanischen Machertyp Bernd Eichinger, sind die „Resident Evil“-Filme einer der größten Kassenschlager jenseits von Hollywood geworden (gedreht wird in kanadischen Studios, Außenaufnahmen werden digital eingefügt).

Ein subversiver Triumph

Trotzdem wird dieses Phänomen großteils ignoriert: Computerspieladaptionen gelten weiter als geistlose Multiplex-Massenware. Irgendwie ironisch ist, wenn marketingstarke Comicverfilmungen als relevante Zeitgeistkommentare behandelt werden, selbst wenn sie nur mehr widersprüchlichen Wirrwarr bieten wie der Batman-Blockbuster „The Dark Knight Rises“. Notorische Philosophie-Provokateure wie Slavoj ?ižek stört das nicht: Die Diskursmaschine läuft, allerdings nach Studiovorgaben.

So sind die „Resident Evil“-Filme ein subversiver Triumph: als Genrekino alter Schule, wenn auch im postmodernen Gewand. Wie in alten B-Pictures ist die Handlung minimal: Alice (Jovovich) kämpft ums Überleben und den Schlüssel zu ihrer Vergangenheit. Unprätentiös sickern aber im Vorübergehen Themen ein. Der jüngste Teil stellt etwa das Verhältnis zwischen Realität und Virtualität vollends auf den Kopf, spielt eine unheimliche Mutterschaftsmetapher auf Klonbasis durch, unterwandert das oberflächliche Heldentum und liefert ein echt ungemütliches Gesellschaftsbild: „Resident Evil: Retribution“ ist schlüssiger und unterhaltsamer als diesen Sommer der Batman-Film, das Alien-Prequel „Prometheus“ und das „Total Recall“-Remake zusammengenommen.

Das liegt auch am unterschätzten Regisseur: Der Brite Paul W. S. Anderson, überschattet von den Namensvettern Wes und Paul Thomas Anderson, wird oft mit Videospiel-Vielfilmer Uwe Boll verglichen. Aber Boll macht Trash, Anderson hat verblüffendes visuelles Talent, auch wenn seine Vorliebe für bestenfalls funktionale Figuren und ebensolche, eher an 80er-Action-Einzeiler erinnernde Dialoge darüber hinwegtäuscht. Nicht so im grandiosen Vorspann zum neuen Film: Ein Actionspektakel läuft in Superzeitlupe rückwärts. (Dann vorwärts als erste Szene des Films – die ist in Sekunden vorbei: ein Indiz für den Humor der Macher.) Die Handlung der vorigen Teile wird in fast abstrakter Manier zusammengefasst, obwohl deren Details unwichtig sind. Alles Vorwand für Andersons Leitmotive: den paranoiden Kampf des Individuums gegen ein übermächtiges, undurchsichtiges Unternehmen, eine Inszenierung höhlenartiger Räume wie bei Fritz Lang (Anderson erklärt diese Vorliebe mit seiner Herkunft aus einer Minenarbeiterfamilie). Aber vor allem die brillante Choreografie von Jovovich in Kampfszenenvariationen: Dass sie mit Anderson verheiratet ist, ist am faszinierten Kamerablick zu spüren – die „Resident Evil“-Filme sind auch Liebeserklärungen.

Rares Verständnis für 3-D

Trotz manchmal monotoner Actionabfolge geht es aber um Intelligenz: Die Konfrontationen gewinnt, wer weiter denkt – darin unterscheidet sich Anderson von der Konkurrenz, genauso wie im Verständnis für 3-D: Nicht nur erfasst er räumliche Tiefe, sondern arrangiert ausnahmsweise übersichtlich montierte und elegant tänzerische Actionszenen. Deren Big-Beat-Ekstase ist wie die Videospielversion der Musical-Kunst aus Hollywoods Hochblüte inmitten eines Horrorszenarios – schwerelose Lichtblicke im „Land of the Dead“.

Der Filmemacher

Paul W. S. Anderson wurde 1965 in Newcastle on Tyne geboren, sein Debütfilm „Shopping“ (1994) mit Jude Law erregte Aufsehen, mit „Mortal Kombat“ (1995) legte Anderson dann seine erste Videospielverfilmung vor. Mit einer weiteren, „Resident Evil“ (2002), kam der Erfolg – und Anderson lernte dabei seine Muse und Gattin Milla Jovovich kennen. Mit ihr (und Christoph Waltz) drehte er u. a. zuletzt „Die drei Musketiere 3D“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2012)

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