„Argo“: Ein Hurra für Hollywoods heimliche Heldentat

(c) Claire Folger (Claire Folger)
  • Drucken

Ben Afflecks Thriller erzählt von einer unwahrscheinlichen Geheimdienstoperation im Zuge des Teheraner Geiseldramas 1979 – mithilfe der Filmbranche. Ein Balanceakt zwischen Spannung und Selbstironie.

Es beginnt mit der Stürmung einer US-Botschaft durch aufgebrachte Demonstranten. Aber es ist keine der Attacken vor wenigen Monaten in Libyen oder Jemen, sondern die Geiselnahme von Teheran am 4.November 1979: Nach der Flucht des Schahs und der Rückkehr des Revolutionsführers Ayatollah Khomeini wurde die US-Botschaft besetzt, 52 Diplomaten wurden 444 Tage als Geiseln gehalten. Ein Befreiungsversuch des US-Militärs im April 1980 – „Operation Eagle Claw“ – scheiterte.

Eine andere, ziemlich unwahrscheinliche Operation hatte man drei Monate zuvor erfolgreich absolviert: eine Handvoll Diplomaten war rechtzeitig geflohen und hielt in der kanadischen Botschaft versteckt. Um sie heimlich aus dem Land zu schmuggeln, entwickelte man in der CIA eine Reihe verzweifelter Pläne. In seiner dritten Regiearbeit „Argo“ erzählt Starschauspieler Ben Affleck diese Geschichte als Thriller mit geradezu unvermeidlicher satirischer Schlagseite.

Denn nachdem kein Vorschlag zur Rettung der sechs Untergetauchten Gefallen findet, wird ein bizarres Projekt genehmigt: „It's the best bad idea we've got!“ CIA-Agent Tony Mendez (gespielt von Affleck selbst) hat zufällig „Die Schlacht um den Planeten der Affen“ im TV gesehen: Dessen Maskenbildner John Chambers hat seine Fähigkeiten bisweilen in den Dienst der CIA gestellt, jetzt soll er einen Hollywood-Coup einfädeln.

Absurde Rettung durch einen Fantasyfilm

Mit einem namhaften Produzenten wird ein fiktives Studio gegründet, um das angebliche Filmprojekt „Argo“ in Angriff zu nehmen: ein abstruser Fantasyfilm im Fahrwasser des Erfolgs von „Star Wars“ – mit Szenerien, für die man im Iran drehen könnte. Getarnt als Produktionsassistent reist Mendez also zur Drehortsuche nach Teheran, um seine sechs versteckten Landsleute als Teil der Filmcrew außer Landes zu bringen.

Die Hollywood-Handlung sorgt dabei für automatische Absurdität und dient als Spiegelfläche: Es geht um die Parallelen von Geheimdienstarbeit und Filmproduktion, der außenpolitischen Krise entspricht die Krise in Hollywood am Umbruch zur Neuzeit der unpersönlichen Blockbuster. Um dem Scheinprojekt Glaubwürdigkeit zu verleihen, werden mit Steuergeldern Werbeinserate in Branchenzeitschriften bezahlt und liebevolle Storyboards entworfen, deren trivialer Surrealismus einen bedauern lässt, dass der fiktive „Argo“-Film nie gedreht wurde. „If I'm doing a fake movie, it has to be a fake hit!“, insistiert der Produzent. Dessen Darsteller Alan Arkin sorgt zusammen mit John Goodman (als Oscar-prämierter Maskenbildner Chambers) für gut gelaunte Komik, die den Gegenpol zur angespannten Situation im Iran liefert, wo die sechs Diplomaten mit blankgescheuerten Nerven kettenrauchend auf engstem Raum warten.

Affleck hat sich mit den Krimis „Gone Baby Gone“ und „The Town“ bereits als souveräner Regiehandwerker alter Schule empfohlen, bei „Argo“ taucht er traditionsbewusst ins Hollywoodkino der 1970er ein: Am Anfang des Films steht sogar das damalige Warner-Bros.-Logo. Festspiele der 1970er-Frisuren und -Bärte sorgen für zusätzliche Heiterkeit, während eine bis zum nicht ganz wahrheitsgetreuen, aber effektiven Herzschlagfinale sorgfältig konstruierte Spannungsdramaturgie auf die Klassiker des Paranoiakinos der Ära zurückgreift: etwa Sydney Pollacks Agententhriller „Die drei Tage des Condor“ und Alan J. Pakulas Watergate-Aufdeckerfilm „Die Unbestechlichen“.

Nachtrag wegen kanadischer Proteste

Dabei bleibt der Ton des Films zwiespältig. Eingangs präsentiert Affleck mit Archivmaterial und Animationen eine geraffte Geschichte der US-Einflussnahme im Iran, in der amerikanischen Heimat hat sich jedenfalls niemand daran gestört, dass die Iraner danach einseitig als Drohgestalten dargestellt werden. Proteste seitens Kanadas hatten aber zur Folge, dass man nachträglich einen Hinweis auf die doch erheblichere kanadische Beteiligung an der Aktion anfügte.

Bei allem Bemühen um glaubhaftes zeithistorisches Flair ist „Argo“ ohnehin eher ein Film über die Macht des Fiktionalen: „Geschichte beginnt als Farce und endet als Tragödie. Oder umgekehrt“, sagt eine Figur, der Film will zwischen Selbstironie und Dramatik beides zugleich einlösen. Er basiert ja auch auf einer wahren Geschichte, die wie erfunden wirkt. Passende Pointe: Als Mendez eine hohe Auszeichnung erhält, muss er sie nach der Verleihung zurückgeben – bis 1997 blieb seine Operation geheim. So werden in „Argo“ zwar Heldentaten gefeiert, doch umgibt sie eine Traumfabrik-Aura: Auch wenn US-Flaggen wehen, gibt es keinen Hurrapatriotismus. Die bewusste Absurdität dieses Thrillers legt einen anderen Jubelruf nahe: „Hooray for Hollywood!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.