"Silent Hill": Mit Monstern in der Designerhölle

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Mit „Silent Hill: Revelation“ ist der zweite Film zur erfolgreichen Horror-Vidoespieleserie im Kino: Die unheimlichen Kreaturen überzeugen, aber im Gegensatz zur Vorlage hapert es bei der Erzählung.

Bis in die Mitte der Neunzigerjahre hinein waren die Fronten klar abgesteckt: Videospiele sind eine unterhaltsame Freizeitbeschäftigung für Kinder, Jugendliche und Spätpubertierende, jedenfalls aber eindeutig separiert von seriösen Kunstformen, so auch dem Kino. Als die Programmierer dann aber begannen, die immer fortschrittlicher werdende Technik nicht nur für aufwendigere Grafiken zu verwenden, sondern sie auch nutzten, um komplexe Geschichten zu erzählen, begann die Grenze zwischen dem Videospiel und dem Kinofilm poröser zu werden.

Es ist wohl kein Zufall, dass Ende der Neunzigerjahre ein Meilenstein dieser formästhetischen Wechselbeziehung erschien: „Silent Hill“ wurde vom japanischen Unternehmen Konami entwickelt und herausgegeben und mauserte sich innerhalb kurzer Zeit zu einem Phänomen, nicht zuletzt da es auf viele nachgerade „filmisch“ wirkt.

Inspiriert von Geistern und David Lynch

Der Spieler steuert darin einen Charakter, der in der nebligen, desolaten US-Kleinstadt Silent Hill seine verschwundene Tochter sucht. Regisseur des Spiels war der junge Keiichiro Toyama, der seinen schauerlichen Entwurf einerseits von klassischen asiatischen Geistergeschichten ableitete, sich andererseits aber ausdrücklich an US-Filmgut wie das Werk von David Lynch und Adrian Lynes Schocker „Jacob's Ladder“ rückkoppelte. Die Inkorporation von psychologisch untermauerten Horrorszenarien und Angstwelten in ein Videospiel war 1999 eine Innovationsleistung – und zog entsprechend viele Nachahmer nach sich.

Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht geradezu selbstverständlich, dass aktuell die bereits zweite Film-Adaption der Videospielreihe – die es bislang auf neun (!) Teile bringt – in die Kinos kommt: „Silent Hill: Revelation“ basiert lose auf der Geschichte des dritten Serienablegers und erzählt die Geschichte von Harry Mason (Sean Bean) und seiner Tochter Heather (Adelaide Clemens). Auf der Flucht vor schwarz gewandeten Angehörigen eines grausamen Kults, der Heather nach Silent Hill verschleppen will, wechseln die beiden unablässig Wohnorte und Identitäten. Aber es hilft alles nichts: Nachdem Harry aus seiner Wohnung entführt wurde, macht sich die junge Frau gemeinsam mit einem Schulfreund auf die Suche nach ihm. Und die führt sie geradewegs nach Silent Hill.

Wie schon in den Videospielen und der ersten Verfilmung aus dem Jahr 2006 präsentiert sich dieser verfluchte Ort als fantastisch anzusehende und aufzusaugende Designerhölle. Aufgrund der intelligent und spektakulär eingesetzten 3-D-Effekte sitzt das Publikum von Anfang an im ewigen Ascheregen, der auf das zwischen allen Zeiten und außerhalb aller Räume existierende Silent Hill herabrieselt. Die Fassaden der verfallenden Gebäude schälen sich wie verbrannte Haut vom Hintergrund und geben den Blick frei auf das nackte Gerüst darunter, das für einige Jahrhunderte Zivilisation bedeutet hat. Jetzt ist dieser Ort, an dem sich diverse Universen überschneiden und grotesken Kreaturen Einlass gewähren, ein Refugium des Unheimlichen und Verstörenden, ein graugraues Universum, in dem Hieronymus Bosch mit Dutzenden anderen Propheten der Apokalypse Ringelreih tanzt.

Krankenschwestern ohne Gesichter

In diesem entwurzelten Ort beginnt dann auch die Geschichte selbst zu wabern, verliert den Boden unter den Füßen und überantwortet sich einer andersweltlichen Logik, in der sich Räume einfach verschieben lassen, Wände zerrinnen und Monsterhorden die Straßen säumen. Das Auftauchen der Kreaturen von „Silent Hill“ ist in den Videospielen ein entscheidender Moment im Erzählfluss. Und auch Michael J. Bassett, der Regisseur von „Silent Hill: Revelation“, baut ihnen eindrucksvolle Bühnen.
„Pyramid Head“ etwa schlurft als überlebensgroße Bedrohung mit pyramidenförmiger Kopfbedeckung und gewaltigem Schnittwerkzeug durch die Gänge, während die Krankenschwestern ohne Gesichter, dafür mit blitzenden Messern in den Händen ihre Körper bewegen, als wären sie kaputte Marionetten. Besonders beeindruckend fällt aber der Auftritt der „Mannequin-Spinne“ aus: Eine triumphale Leistung von Produktionsdesign und Effektkünstlern, baut sich dieses Monstrum seinen Leib aus Dutzenden ablegten Schaufensterpuppen zusammen und jagt Heather quer durch ihr Nest.

Verlaufen in der perfekten Videospielwelt

Schade nur, dass man dem Film anmerkt, wie sehr er für die Kinoauswertung auf flotte 90 Minuten zurechtgeschnitten wurde. So bleiben einige der prominent besetzten Nebenrollen vollkommen bedeutungslos für die Erzählung, die im überhasteten letzten Drittel leider ohnehin in sich zusammenfällt. Aber wer nach dem Kinobesuch Lust bekommen hat, mehr Zeit in „Silent Hill“ zu verbringen, dem sei die Anschaffung von einem der Videospiele empfohlen.

Spätestens wenn man sich einmal in dieser perfekt designten Welt verlaufen hat, sich angsterfüllt versteckt, wird man nie mehr sagen, dass Videospiele keine guten Geschichten erzählen können.

Das Videospiel

„Silent Hill“ wurde 1999 von der japanischen Firma Konami als Konkurrenz zu „Resident Evil“ konzipiert: Um den US-Markt zu erobern, gab man den Entwicklern den Auftrag, eine Atmosphäre „wie in einem Hollywoodfilm“ zu schaffen. Das Konzept ging auf: Der Erfolg von „Silent Hill“ zog acht Fortsetzungen und zwei Filme nach sich. Wie bei allen „Survival Horror“-Spielen geht es darum, die Angriffe unheimlicher Monster zu überleben und diverse Rätsel zu lösen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2012)

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