„Zero Dark Thirty“: Antiterrorkampf als inszenierte Action

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Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ über die Jagd auf Osama bin Laden ist zum kontroversen Politikum geworden. Dabei ist der umstrittene Film das Gegenteil einer Provokation. Ab 1. Februar im Kino.

Bei den Oscar-Nominierungen wurde Kathryn Bigelow neulich unerwartet als beste Regisseurin übergangen, dafür ist sie diese Woche auf dem Cover des „Time Magazine“: Das erzählt davon, wie umstritten ihr neuer Film ist – rasch ist er vom durch die Kritik gefeierten Fakten-Thriller zum kontroversen Politikum geworden, samt einer Senatsuntersuchung und ausgiebigen Debatten über die Legitimation von Folter (und ihrer Darstellung).

In „Zero Dark Thirty“ verdichtet Bigelow zehn Jahre der CIA-Jagd nach Osama bin Laden auf zweieinhalb Stunden. Am Anfang ist die Leinwand schwarz, während 9/11-Telefonanrufe aus den brennenden Twin Towers die Tonspur füllen. Am Ende steht die tödliche Attacke auf Bin Ladens Versteck in Abbottabad 2011, inszeniert als halbstündiges Handkamera-Echtzeit-Virtuosenstück im grünen Glimmer wirklicher Nachtsichtgeräte: Die ließ Bigelow vor die Kameras schnallen, weil ihr der übliche Weg – digitale Nachbearbeitung – nicht echt genug schien.

Dieses Beharren auf Pseudodokumentarismus sagt viel über die Ziele von Bigelow und ihrem Autor Mark Boal, der zuvor lange recherchierte: Eine Art Kinojournalismus schwebte den beiden vor, eine prozessorientierte Rekonstruktion einer Langzeitoperation in glaubhaft zurückgenommener dramatischer Form. Dass die Strategie aufgegangen ist, belegen die erhitzten US-Debatten um den Film: In denen geht es kaum um die Ästhetik und schon gar nicht um das, worum es im Film geht, sondern um ein heißes Thema – „enhanced interrogation techniques“ lautet der offizielle Euphemismus seit der Bush-Administration dafür. Gemeint ist Folter mit Methoden wie Waterboarding, Schlafentzug oder Erniedrigung.

Folter als Teil der Bin-Laden-Suche

Im ersten Drittel widmet sich Bigelows Film den Versuchen der US-Agenten, so an Information zu kommen, bereits ganz im kühlen, neutralen Tonfall, der dominiert. Die wütenden Proteste, sie hätten einen „Pro-Folter-Film“ gemacht, haben Bigelow und Boal einigermaßen verblüfft: Folter sei ein wichtiger Teil der Suche nach bin Laden gewesen, sie hätten das also kaum auslassen können – im Übrigen würden sie zeigen, dass daraus wahre wie falsche Informationen kämen.

Tatsächlich produzieren die Torturen im Film einen Namen und damit die entscheidende Spur zu Bin Laden, Jahre später – doch nebenbei zeigt sich, dass dieses Wissen bei der CIA schon länger anderswo brachgelegen ist. Die Aufregung rund um „Zero Dark Thirty“ wischt diesen distanzierten Zugang beiseite: Die eigentlichen Folterszenen machen etwa zehn Minuten des Films aus, aber die Kontroverse wirkt, als hätte Bigelow das „War on Terror“-Äquivalent zu Pasolinis berüchtigtem Film „Die 120 Tage von Sodom“ geschaffen, der eine systematische Erniedrigung nach der anderen verzeichnet.

Senatoren und selbst der CIA-Chef reagierten öffentlich, um „Zero Dark Thirty“ als geschichtsverfälschend und Folterrechtfertigung anzuprangern. Der ganze Trubel erzählt in Wirklichkeit, wie die Macht der Promotion in der Medienlandschaft stärker ist als Tatsachen: Das Ziel von Bigelow und Boal war Authentizität, vermarktet wurde ihr Film dann als eine Art erste wahre Geschichte zur Operation Osama – und die Filmemacher sahen sich plötzlich davon überrollt, dass ihre (egal, wie realistische) Fiktion behandelt wurde, als wäre sie ein Dokument.

Das inszenatorische Geschick Bigelows ist wohl ein Grund: Über weite Strecken erweckt ihre detailreiche Schilderung tatsächlich den angestrebten Eindruck von Objektivität – vielleicht kommt die Erregung auch daher, dass es ein Hollywood-Film ostentativ dem Zuseher überlässt, seine Schlussfolgerungen zu ziehen. Andererseits ist unübersehbar, wie er auf konventionelle Dramaturgie und Spielfilmmethoden zurückgreift, um eine ungewöhnlich große Menge an Information zu bewältigen: Es ist, als wäre die Jagd auf Bin Laden ein Ein-Frau-Unternehmen gewesen.

Maya verkörpert die Krise der USA

Bigelows Heldin Maya (Jessica Chastain), eine CIA-Agentin, wohnt der Folter anfangs widerwillig bei, folgt dann hartnäckig den Spuren und setzt sich letztlich gegen Führungskräfte durch, die längst das Interesse verloren haben. Wie das Nadel-im-Heuhaufen-Suche-Gefühl, das „Zero Dark Thirty“ beschwört, waltet dabei ein seriöserer Zugang zu bewährten Formeln: Bis ins bewusst ambivalente Schlussbild – Mission erfüllt, Ziellosigkeit, Tränen, Zweifel – verkörpert Maya die Krise, in der sich die USA befinden. Im Vorübergehen reißt der Film andere seltene Sujets an wie Sexismus und Hackordnungen in Institutionen wie der CIA. Doch als Gegenstück zu Bigelows vorhergehendem Oscar-Sieger „The Hurt Locker“ wirkt „Zero Dark Thirty“ wie ein Rückschritt: Beides sind Filme über die US-Erfahrung im Krieg in der Fremde und über Zeit – Dauerhochdruck durch Countdown-Kaskaden bei den Bombenentschärfern in „The Hurt Locker“, verunsichertes Warten im neuen Film, wo das nächste Attentat jederzeit kommen kann. Bigelow, die beste Action-Regisseurin Hollywoods, inszeniert diesmal nicht weniger versiert, aber plangemäß zurückhaltender. Die Reserviertheit macht „Zero Dark Thirty“ aber auch weniger ergiebig. Nicht, dass der Adrenalinrausch des Vorgängers hier angebracht wäre, aber man vermisst eine den Verlauf auf den Kopf stellende Szene wie dessen albtraumhafte Heimkehrervision eines prall vollen US-Supermarkts als viel schlimmeres Schlachtfeld. Mit ihrer ausgestellten Ambivalenz haben Bigelow und Boal zwar eine leidenschaftslos packende Agentengeschichte geschaffen – aber das Gegenteil einer Provokation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2013)

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