"Oblivion": Überdesignte Science-Fiction

Filmauschnitt Oblivion
Filmauschnitt Oblivion(C) UPI
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Science-Fiction-Stoff mit Tom Cruise in der Hauptrolle. Regisseur Joseph Kosinski bläst eine von ihm selbst verfasste Kurzgeschichte auf.

Trotz weltweiter Sperrfrist für Rezensionen bittet der Verleih, in Kritiken nichts von den Höhepunkten der Handlung von „Oblivion“ zu verraten. Dem kommt der Rezensent gern nach, auch wenn es bedeutet, dass er sich hauptsächlich mit den unfassbar langweiligen ersten zwei Dritteln des Films befassen muss – aber dafür enthebt es ihn der Pflicht, sich auf die Wirren des Showdowns einen Reim zu machen.

Aber vielleicht müsste man Scientologe sein wie Tom Cruise, um das Potenzial dieses so unterentwickelten wie überdesignten Science-Fiction-Stoffs zu erkennen. Doch der Reihe nach: Joseph Kosinski, ein Computergrafik-Spezialist aus der Werbebranche, wurde 2011 für „Tron: Legacy“, die Fortsetzung zu Disneys Digital-Pionierwerk „Tron“ (1982), in den Regiestuhl katapultiert. Da schleppte er schon seit Jahren sein Traumprojekt „Oblivion“ mit sich herum: eine selbst verfasste zwölfseitige Kurzgeschichte sollte zur Graphic Novel werden, auf der nun laut Vorspann der Film basiert. „Coming in 2012“, verkündet freilich die Webseite des Herausgebers Radical Studio noch immer. Angefertigt wurde nur ein achtseitiges Vorschauheft, das immerhin das Interesse von Cruise weckte.

Angeblich 120 Millionen Dollar hat man sich die Kino-Umsetzung kosten lassen: Kosinskis grafische Vorbilder aus den Siebzigern (wie Perry-Rhodan-Illustrator Chris Foss und die Buchcover-Gestalter Peter Elson und Chris Moore) standen Pate für die Retrovision der entvölkerten Erde des Jahres 2073. Im gläsernen Skytower leben Exsoldat Jack Harper (Cruise) und seine Partnerin Victoria (Andrea Riseborough) und überwachen den Abbau lebenswichtiger Ressourcen.

Sterile Digitalbilder


Harper ist einer der letzten Mechaniker für Flugdrohnen, die bei der Verteidigung helfen – aber sich als erstaunlich gefährlich erweisen. Überhaupt scheint vieles nicht im Lot, den Versicherungen von Harpers Kollegin zum Trotz, die linientreu Anweisungen der Zentrale befolgt. Die Träume vom einstigen Aussichtsblick durch die Fernrohre des Empire State Building verheißen ohnehin eine Alternativgeschichte: Jedenfalls für den Genrefreund hängt der Schatten eines anderen Wahrzeichens, der Freiheitsstatue am Ende des originalen „Planet der Affen“, über den Geschehnissen. Und so kommt es auch, als Harper kurz vor Abschluss seiner Mission eine schöne junge Frau (Olga Kurylenko) aus einem abgestürzten Raumschiff birgt.

Man wünscht sich statt des Films oft die inexistente Graphic Novel herbei, um schneller umzublättern. Der ganze optische Aufwand wirkt, als wäre jede der zwölf Seiten von Kosinkis Kurzgeschichte auf zehn Minuten gedehnt worden. Einen Tribut an die atmosphärischen Science-Fiction-Filme der Seventies hatte Kosinski im Sinn: Angesichts heutiger Schnittgewitter würde man sich die (Wieder-)Entdeckung der Langsamkeit auch wünschen. Aber hier wird selbstgefällig übertrieben – und die Actionszenen montiert Kosinski dann ohnehin wieder rapide zum Elektronikdonner der Disco-Sphärenklänge des Franzosen-Duos M83.

Vor allem leidet „Oblivion“ an Charakterlosigkeit: Bei „Tron: Legacy“ fiel es weniger ins Gewicht, dass Kosinski sich mehr für das Design als die Figuren interessierte, denen defekte Drehbuchschreiber-Einheiten Dialoge zwischen Techno-Kauderwelsch und Nonsens-Spiritualität zugemutet hatten. Irgendwie auch egal, zumal ohnehin alles buchstäblich in einer Rechnerwelt spielte. In „Oblivion“ soll sich aber große Emotion einstellen, was zwischen bestenfalls binärer Motivation und sterilen Digitalbildern in der Planetenwüste versandet. Das bewegendste, was Kosinski gelingt, ist (immerhin) ein Bildercoup. Wohl als Verneigung vor „2001: Odyssee im Weltraum“ – dem Roman von Arthur C. Clarke, nicht dem Kubrick-Film – taucht Andrew Wyeths Meistergemälde „Christina's World“ auf: das Einzige im sonst korrekt betitelten Film „Oblivion“, das Anspruch auf Unvergesslichkeit stellen darf.

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