„Hai-Alarm am Müggelsee“: Klassenfahrt in die Provinz

Gemütlicher Irrsinn: Die Arbeitsgruppe Hai-Alarm nach einer Sitzung – vorn links ruht der Bürgermeister (Henry Hübchen).
Gemütlicher Irrsinn: Die Arbeitsgruppe Hai-Alarm nach einer Sitzung – vorn links ruht der Bürgermeister (Henry Hübchen).(c) Filmladen
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Die Chefintellektuellen Sven Regener und Leander Haußmann richten es allzu gemütlich im selbst gebauten Irrsinnsuniversum ein: Die deutsche Gaga-Komödie „Hai-Alarm am Müggelsee“ will nicht zünden.

Die Provinz ist im Aufwind. Kaum ein Kulturschaffender, der nicht von einem Haus im Grünen träumt. Die Zeit, in der die Intelligenzija eines Landes unabdingbar mit urbanen Ballungsräumen identifiziert worden ist, scheint vorbei zu sein. Fernsehserien wie das österreichische „Braunschlag“ oder das norwegische „Helljford“ schließen Provinzklischees mit groteskem Humor kurz, um der mutmaßlichen Absonderlichkeit des gemeinen Landlebens näherzukommen.

Angesichts des kulturindustriellen Blasmusik-Pops wirkt die deutsche Gaga-Komödie „Hai-Alarm am Müggelsee“ dann auch weitaus weniger radikal und anarchisch, als sie es gern wäre. Die Chefintellektuellen Leander Haußmann und Sven Regener – der eine Theater- und Kinoregisseur, der andere Sänger und Texter von „Element of Crime“ – zeichnen gemeinsam für Buch wie Regie bei dieser Erzählung von gänzlich unerwarteten und unglaublichen Begebenheiten im Seebad Friedrichshagen verantwortlich. Dieser idyllische Ortsteil des Berliner Bezirks Köpenick wird prinzipiell auch von der Hauptstadt verwaltet: Sein Bürgermeister Müller will davon allerdings nichts wissen. Lieber kultiviert er regionale Besonderheiten und reagiert demnach auch auf einen zuerst nur vermuteten, irgendwann dann aber unleugbaren Menschenfresser-Hai im Müggelsee reichlich unorthodox.

Als programmatischer Kontrast zur bundesdeutschen Kinogegenwart zwischen akademischem Kunstfilm und gemaßregelter Kommerzware streicht „Hai-Alarm im Müggelsee“ einige Bonuspunkte ein: Im attraktiven, streng durchgehaltenen Konzept dieses anarchisch aufgerüschten Nonsens-Bombers liegt dann aber auch gleichzeitig sein Scheitern begründet. Zu gemütlich richten es sich Haußmann und Regener im selbst gebauten Irrsinnsuniversum ein, zu einfach machen sie es sich mit ihren viel zu oft nur halblustigen Figuren, zu schnell wird einem in diesem Unterhaltungsaffront dann doch langweilig.

Ein bisschen wirkt „Hai-Alarm am Müggelsee“, als würden die versammelten Edelmimen (darunter: Benno Fürmann, Henry Hübchen und Tom Schilling) und ihre Regisseure damit vor der erstickenden Wirklichkeit der deutschen Filmindustrie fliehen wollen. Eine verständliche Reaktion, so eine Klassenfahrt mit geschätzten Kollegen und Freunden, ein paar Wochen Hirnurlaub vor der bedrohlichen Vernunft innerhalb der Kreativwirtschaft.

Katharina Thalbach zetert und schreit

Schade nur, dass das Ergebnis dann nicht recht zündet: Das liegt zum großen Teil daran, dass die Regisseure zwar mit dem Unsinn flirten, letztendlich aber viel zu humorbefreit und kalkuliert arbeiten. Sicherlich ist es ganz erheiternd, eine gewaltige Schauspielerin wie Katharina Thalbach als „die zynische Irre“ zu besetzen und ihren Verbaldurchfall immer wieder ins Geschehen zu schneiden.
Allerdings nur, bis man bemerkt, dass man nur grinst, weil es eben die Thalbach ist, die da zetert und schreit, und im gleichen Moment realisiert man, dass man sich damit nur mehr einen Steinwurf weit weg von den mit Stars und Starlets gespickten Dietl-Possen befindet.

Insofern bleibt allen Freunden des gepflegten Irrsinns nur mehr eines: sich auf den Herbst zu freuen. Dann startet endlich der fünfte Kinofilm des Nonsens-Chefideologen Helge Schneider in den deutschen Kinos und wird den Sommerfrischlern vom Müggelsee zeigen, wie man wirklich gute, lustige und anarchische Filme macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2013)

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