"The Wolverine": Superhelden in der Existenzkrise

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Hugh Jackman als Comic-Superheld auf dem „Weg des Kriegers“ in Japan: Trotz interessanter Krimi-Ansätze zeigt das Format Ermüdungserscheinungen.

Sind die Zuschauer vom Blockbuster-Einerlei ermüdet? Diese Filme werden immer gleichförmiger, seit ihre Formeln immer strenger werden: Die von Drehbuchgurus schon lang gepredigte Drei-Akt-Struktur ist vom „Beats“-Konzept abgelöst worden. Jedes Drehbuch wird um 15 solcher entscheidenden Punkte gebastelt, und jeder davon soll mittlerweile sogar exakt auf einer bestimmten Drehbuchseite platziert sein.

Doch das vermeintliche Erfolgsrezept scheint in der Krise: Die Studios lancieren ihre teuersten Filme als Sommerhits, die Saison ist überfüllt mit ähnlichen Produkten, das Publikum braucht sie nicht alle. So haben Hollywoods Action-Großproduktionen heuer enttäuschende Einspielergebnisse zu verzeichnen: Flops wie „The Lone Ranger“ mit Johnny Depp oder „After Earth“ mit Will Smith werden von Komödien und Animationsfilmen wie „Die Monster Uni“ ausgestochen. Nur die Comic-Superhelden üben weiter marketinggestählte Dominanz aus: „Iron Man 3“ und „Man of Steel“ führen in der Jahreswertung am US-Box-Office.

Kein Wunder, dass die Comic-Filmwelle nicht abreißt: So hat Hugh Jackman seinen sechsten Einsatz als mit Selbstheilungskräften und ausfahrbaren Krallen gesegneter Marvel-Kämpfer Wolverine seit dem ersten Kinoauftritt bei den „X-Men“ (2000). Nach der enttäuschenden Solo-Einlage „X-Men Origins: Wolverine“ soll nun „Wolverine: Weg des Kriegers“ die Erwartungen wieder hochschrauben für die X-Men-Wiedervereinigung 2014 (im Abspann von „Wolverine“ gibt es einen Vorgeschmack).

Romanze mit dem Höhlenmenschen

Passenderweise hat diesmal sogar der Held schon genug von seinen Kräften: Wolverine plagen Visionen seiner toten Liebsten (Famke Janssen), während er zum ewigen Leben verdammt scheint. Also hat er sich in die Wildnis zurückgezogen, wo er schnapstrinkend zwischen Grizzlybären haust. Bis er nach Japan geholt wird, zu einem Konzernchef, den er einst (in der Vorspannszene) vor der Bombe von Nagasaki gerettet hat. Dessen Enkelin, die zarte Mariko (Ralph-Lauren-Model Tao Okamoto), ist vom verwahrlosten Eindruck des Helden irritiert: „Wer ist der Höhlenmensch?“ Natürlich werden zwischen den beiden romantische Gefühle wachsen, während sie in eine undurchsichtige Verschwörung verwickelt werden, im Zuge derer Wolverine sogar seiner Regenerationskräfte beraubt wird.

Der knappe Originaltitel „The Wolverine“ kündigt schon an, dass es Regisseur James Mangold um das Innere der Hauptfigur geht: der Held in der existenziellen Krise, erzählt als Noir-Krimi vor japanischem Hintergrund. Der dortige Kriegerkodex liefert ein Wertesystem, an dem sich der Fremde misst und gemessen wird, in der Tradition von Filmen wie Sam Fullers „House of Bamboo“ oder Sydney Pollacks „The Yakuza“. Jackman hat sich die Rolle längst angeeignet, seine Superheldenkrise wird mit Einzeilern im Eastwood-Stil gewürzt, Mangold legt inszenatorisch noch ein paar ambitionierte Actionszenen drauf, darunter eine an Akira Kurosawa angelehnte Pfeilattacke.

Ein langer Kampf auf dem Dach eines Hochgeschwindigkeitszugs hätte sogar das Zeug zum Klassiker – würde nicht die enttäuschende 3-D-Konversion den Auseinandersetzungen ihr Gewicht rauben. Das kann man durch Besuch der zweidimensionalen Version umgehen, aber den „Beats“ entkommt man auch hier nicht: Trotz der sympathischen Ansätze verliert der Film gegen Ende zusehends an Individualität, der schwache Showdown könnte irgendeinem Videospiel entlehnt sein. Auch diesmal also wieder nur ein kurzfristiges Entkommen aus den allgemeinen Ermüdungserscheinungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2013)

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