Formel-1-Film „Rush“: Moderner Gladiatorenkampf

Ungleiche Kontrahenten im Rennzirkus: Chris Hemsworth (l.) als wilder Hedonist James Hunt, Daniel Brühl als kühler Taktiker Niki Lauda.
Ungleiche Kontrahenten im Rennzirkus: Chris Hemsworth (l.) als wilder Hedonist James Hunt, Daniel Brühl als kühler Taktiker Niki Lauda.(c) Universum Film
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Ron Howards Film beschreibt das Duell um den Weltmeistertitel 1976 zwischen Niki Lauda und James Hunt: ein gut gespieltes, willkommen intelligent angelegtes und unterhaltsames Spektakel. Ab nächster Woche im Kino.

Das Gehirn, das ihm Gott gegeben habe, sei schon okay, sagt Daniel Brühl als Niki Lauda einmal im Formel-1-Film „Rush“, aber sein wahres Genie stecke in seinem Hintern: Er könne jedes Detail des Autos spüren. Unmittelbar davor hat er der unbekannten Dame, die ihn im Auto mitgenommen hat, gerade ausführlich erklärt, was alles nicht in Ordnung ist: loser Keilriemen, zu wenig Luft im linken Vorderreifen usw. Bald werden die beiden heiraten.

Laudas selbstironischer Satz ist typisch für den willkommenen Witz, mit dem der in Wien lebende Brite Peter Morgan sein Drehbuch für „Rush“ ausgestattet hat: Für Spannung sorgt ohnehin der historische Hintergrund – die Grand-Prix-Saison von 1976 mit dem erst in letzter Sekunde entschiedenen Duell um den Titel zwischen dem Österreicher Lauda und dem Briten James Hunt.

Noch willkommener ist, dass die Figurenzeichnung der beiden Rivalen auf übliche Hollywood-Vereinfachung verzichtet: Der Gegensatz zwischen dem kalkulierenden Taktiker Lauda und dem wilden Hedonisten Hunt liefert einen starken dramatischen Konflikt, der keine Nachbesserung braucht – gerade weil man die Standpunkte der beiden Fahrer nachvollziehen und mit ihnen sympathisieren kann, ohne dass ihre unangenehmen Seiten ausgeblendet werden, überzeugt „Rush“ als intelligentes Spektakel.

Brühl mit österreichischem Akzent

Ganz ohne Überzeichnung geht es dennoch nicht: Der berüchtigte Frauenheld Hunt hat den ersten großen Auftritt in einem Krankenhaus mit Verletzungen durch einen gehörnten Ehemann – nachdem er sie der Krankenschwester präsentiert, haben die beiden Sex. Schönling Chris Helmsworth spielt Hunt mit selbstbewusstem Bond-Charisma unter der blonden Mähne, nicht zuletzt, wenn er sich als „Hunt, James Hunt“ vorstellt. Hingegen verströmt Brühl in seiner gelungenen Verkörperung des jungen Lauda – auch in Originalfassung mit überzeugendem österreichischem Akzent – eine leichte Traurigkeit, wirkt früh gealtert: Er fährt nicht, um geliebt zu werden, sondern um zu gewinnen, und verteidigt diese Haltung mit brüsker Kälte. Laudas pragmatische Direktheit sorgt aber auch für viel Humor, etwa wenn er bei Ferrari engagiert wird und sich nach der ersten Fahrt beschwert, dass der Rennstall trotz bester technischer Ressourcen nur eine „shitbox“ konstruiert hätte. Überhaupt hält der Film eine bemerkenswerte Balance: Der Rennsaison 1976 mangelte es nicht an Tragik und Dramatik, mit Laudas fast tödlichem Unfall auf dem Nürburgring und seiner sensationellen Rückkehr in den Rennzirkus nach nur sechs Wochen.



„Rush“ ist auch die Geschichte eines modernen Gladiatorenkampfes, die Lebensgefahr im damaligen Formel-1-Zirkus wird immer wieder beschworen. Vor dem Schlussrennen im Japan gibt es eine Gegenüberstellung, die nicht nur das Konkurrenzverhältnis der beiden Fahrer beschreibt – der gesund lebende, noch angeschlagene Lauda erhebt sich wie ein Samurai aus seinem Bett, Hunt erwacht (wie üblich) zwischen leeren Weingläsern neben einer Frau. Der Brite riskiert immer, für Lauda ist selbst die Todesgefahr Statistik („zwanzig Prozent Wahrscheinlichkeit, aber nicht eines mehr!“) – und so trifft er in Japan eine Entscheidung, die letztlich auch über den Weltmeistertitel entscheidet.

Das Duell der ungleichen Männer ist stets Zentrum des Films, die anderen Figuren bleiben im Hintergrund. Regieveteran Ron Howard, der schon „Frost/Nixon“ nach einem Morgan-Drehbuch inszenierte, begann 1975 beim Billigproduzenten Roger Corman mit dem Raserfilm „Grand Theft Auto“, die Rückkehr ins Genre hat ihn sichtlich angespornt. Die Rennszenen sind kurz, aber mit Seventies-Drive (inklusive der Rockmusik) und immer ein bisschen anders angelegt – von pumpenden Detail-Montagen samt Großaufnahmen der Pupillen, als wollte man sich ins Gehirn der Fahrer bohren, bis zu Laudas beunruhigend verwischter Comeback-Erfahrung. So wird genug Formel-1-Atmosphäre mitgenommen, aber letztlich ist es ein Film, der auch jene unterhält, die sich nicht für Rennsport interessieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2013)

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