„Blue Jasmine“: Cate Blanchett in der Endstation Madoff

Blue Jasmine, Cate Blanchett, Woody Allen
Blue Jasmine, Cate Blanchett, Woody Allen(c) Viennale/ Warner
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Aus dem Elfenbeinturm in die Wirklichkeit: Woody Allen macht in „Blue Jasmine“ halb ernst. Ab Freitag im Kino.

Die Dame nervt erst ihre Sitznachbarin in der Businessclass-Sektion des Flugzeugs mit langen Monologen über ihre psychischen Probleme, dann steht sie verloren in ihrer weißen Chanel-Jacke an einer heruntergekommenen Ecke von San Francisco. „Where am I, exactly?“, fragt sie einen Vorüberkommenden. Das meint sie wohl ganz praktisch, aber man kann es auch existenziell sehen: Obwohl sie sich weiterhin an ihren Statussymbolen – riesige Hèrmes-Tasche, Gepäck mit Monogramm – festklammert, ist Jasmine (Cate Blanchett) aus allen Wolken gefallen. Ihr reicher Investorgatte ist als betrügerischer Pyramidenspieler aufgeflogen und hat sich im Gefängnis erhängt.

Also zieht Jasmine zu ihrer Schwester Ginger (Sally Hawkins), deren Apartment schon ein Affront für ihre privilegierten Augen ist – aus dem Elfenbeinturm in die Wirklichkeit. Mit Wodka und Angstlösermedikamenten bleibt Jasmine in ihrer Parallelwelt: Eben klagt sie noch, pleite zu sein, schon rechtfertigt sie die Notwendigkeit ihres Erste-Klasse-Tickets. Blanchett spielt virtuos und etwas gekünstelt eine Kunstfigur, die ständig zwischen Zusammenbruch und Getändel schwankt. Die lächerlichen Avancen des Zahnarzts, bei dem sie als Rezeptionistin unterkommt, weist Jasmine zurück – ein Diplomat (Peter Sarsgaard) scheint ihr der rechte Partner. Doch auch in der Beziehung gilt: Jasmine sagt nur, was ihr passt. Hinter den Liebesgeschichten – parallel gibt es amouröse Auseinandersetzungen um Ginger – steht eine grundlegende Frage: die nach der Wahrheit.

Tolle Nebenrollen für Comedy-Stars

Die Titelfigur von Woody Allens „Blue Jasmine“ scheint sowohl vage von Blanche DuBois aus „Endstation Sehnsucht“ inspiriert wie von der Frau des Finanzschwindlers Bernie Madoff: Der ironische Kontrast mit Rückblenden in Jasmines New Yorker Luxusleben (gewohnt gut als Gatte: Alec Baldwin) sorgen für eine humoristische Ebene, es gibt auch gelegentliche typische Dialogpointen, trotzdem gehört der Film zu Woody Allens ernsten Versuchen. Da nimmt er einen achtbaren Platz ein, auch wenn die Wendungen zuletzt eher wie in einer Farce daherkommen.

Hervor tritt ein Kernelement von Allens Filmografie: besänftigte Porträts der Angst vor dem Abstieg in eine niedrigere Klasse. Man sieht auch, dass er sich mit der Persiflage des Dolce Vita leichter tut als mit der Welt der Unterprivilegierten. Für Ausgleich sorgen tolle Auftritte in tragikomischen Nebenrollen, besonders hervorzuheben sind ein aktueller Comedy-Star (Louis C.K. als Gingers Liebhaber) und ein zu unrecht Vergessener (Andrew Dice Clay als Gingers Exgatte).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2013)

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