„Captain Phillips“:Tom Hanks in den Händen von Piraten

Tom Hanks, Captain Phillips, Greengrass,  Kino
Tom Hanks, Captain Phillips, Greengrass, Kino(C) Sony
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Paul Greengrass rekonstruiert eine Geiselnahme auf hoher See als Actionfilm-Passion. Die auf Tatsachen beruhende Geschichte bietet klassische Hollywood-Dramaturgie.

Vor vier Jahren war die Geschichte in den Schlagzeilen: Richard Phillips, der Kapitän eines von somalischen Piraten gekaperten US-Containerschiffs, hatte sich als Geisel angeboten, um seine Crew zu retten. Präsident Obama persönlich autorisierte eine Operation der Navy Seals, um den Kapitän aus den Händen der Piraten zu befreien: „Sein Mut ist ein Vorbild für alle Amerikaner“, gab das US-Staatsoberhaupt nach der Aktion zu Protokoll, um das heldenhafte Ausharren von Phillips in den Tagen der Gefangenschaft zu würdigen.

Hatte er nicht nur seine Pflicht getan? „A Captain's Duty“ hieß das von Richard Phillips (gemeinsam mit dem einschlägig spezialisierten Autor Stephan Talty) verfasste Buch von 2010 über seinen Leidensweg. Auf Deutsch ist es nun als „Höllentage auf See“ erschienen, anlässlich seiner Verfilmung als „Captain Phillips“: Die ist einerseits Starvehikel mit Oscar-Ambitionen für Tom Hanks in einer charakteristischen Titelrolle als Durchschnittsamerikaner, der sich in einer Feuerprobe bewährt, andererseits ein Action-Autorenfilm. Der schottische Regisseur Paul Greengrass hat mit seiner atemlosen Handkamera-Ästhetik das jüngere Thrillerkino Hollywoods entscheidend geprägt (mit Teil zwei und drei der „Bourne“-Agentenfilmserie), seinen hyperrealistisch wirkenden Hier-und-jetzt-passiert-es-Stil auch in den Dienst von Dokudrama-Rekonstruktionen gestellt, in „United 93“ das US-Trauma von 9/11 möglichst neutral präsentiert, nicht ohne Mitgefühl zu beschwören – die Implikation war: Es hätte jeden von uns treffen können.

„Captain Phillips“ schließt da an: Die Geschichte beruht auf Tatsachen, bietet aber klassische Hollywood-Dramaturgie. Eine Art Western zu hoher See, mit den Navy Seals als im letzten Moment einreitender Kavallerie. Der Kapitän und seine weiße Crew aus US-Staatsbürgern in den Händen der durchwegs schwarzafrikanischen Piraten: Die Fakten gebieten das Klischee. Sanft gegengesteuert wird von Greengrass und seinem Drehbuchautor Billy Ray, nicht zuletzt mit einer idealen Metapher für globalisierte Zeiten: Sitzen wir nicht alle im selben wackligen Boot?

Unheldischer Held in unsicheren Zeiten

Am Anfang sieht man Phillips daheim bei seiner Frau, wo sie sich über den arbeitslosen Sohn sorgen: Die Kids müssen hart sein in dieser unsicheren Zeit, meint Phillips. Wie die jungen Piraten, denen ebenfalls eingangs eine kurze Szene zu Land gegönnt wird, um sie zu motivieren: sich durchsetzen gegen die Konkurrenz. „We all got bosses“, sagt ihr Anführer (Barkhad Abdi) in einem seiner Rededuelle mit Phillips, während Greengrass parallel zur eskalierenden Panik die Spannungsschraube anzieht: Von den packenden Kaper-Attacken bis zum Finale zeigt er sich streckenweise als starker rhythmischer Inszenator dieser US-Passion, die Hanks mit Zurückhaltung und schließlicher Betroffenheit veredelt – als unheldischer Held eines Films, der seine Widersprüche stehen lässt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2013)

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