Schade um Frankenstein

I, Frankenstein
I, Frankenstein(c) Sony
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„I, Frankenstein“ des australischen Regisseur Stuart Beattie ist die Ausgeburt einer vor Angst erstarrten Filmindustrie. Die meisten aktuellen Videospiele sind komplexer.

Es ist eine unangenehme Eigenschaft der modernen Populärkultur, dem Publikum nichts mehr zuzutrauen. Anstatt es herauszufordern, eigene Schlüsse zu ziehen, wird es in einen Hochgeschwindigkeits-Karren gesetzt und durch x-beliebige austauschbare Handlungsstränge gezogen.

So überrascht es kaum, dass das Bewegungsrausch-Filmchen „I, Frankenstein“ mit dem schauergotischen Jahrhundertroman von Mary Shelley nichts mehr zu tun haben will. Im Schnelldurchlauf sieht man die Schöpfung des Monsters (Aaron Eckhart), wie es seinen „Vater“ Viktor Frankenstein und dessen Frau meuchelt und nachher durch Raum und Zeit schlurft. Dann kappt Drehbuchautor Kevin Grevioux, auf dessen gleichnamigem Comicroman der Film beruht, die Verbindungslinien zum klassischen Stoff. Das fälschlicherweise Frankenstein genannte Monster gerät in den seit Jahrhunderten andauernden Krieg zwischen den Gargoyles und auf der Erde umher wandelnden Dämonen und trägt ab da, wohl weil es das erste seiner Art ist, den Vornamen Adam.

Der australische Regisseur Stuart Beattie ist bisher vor allem als Drehbuchautor aufgefallen, nicht selten negativ: Aus seiner Feder stammen das Blähbauch-Melo „Australia“ oder das martialische Spektakel „G.I. Joe – Geheimauftrag Cobra“. Mit „I, Frankenstein“ tritt er jetzt den letztgültigen Beweis an, dass er die Kunst, eine Geschichte spannend zu erzählen, nicht beherrscht. Nach einer Stunde hat man immer noch Probleme, die Charaktere auseinander zu halten: Ein verständlicher Ansatz, wenn man weiß, dass es ohnehin nur Gute und Böse gibt und die sich zwei Stunden lang gegenseitig umbringen.

Ausgetretene Pfade

„I, Frankenstein“ wendet sich ganz spezifisch an ein junges, männliches Publikum: jenes, das die ähnlich hohlen „Underworld“-Filme zu einem weltweiten Erfolg gemacht hat, auch weil es nicht genug davon bekommen konnte, der feschen Kate Beckinsale dabei zuzusehen, wie sie im Latexanzug Werwölfe vermöbelt. Die in „Underworld“ und seinen Fortsetzungen etablierte Ästhetik, die man mangels eines tauglicheren Begriffs „Digital Gothic“ nennen könnte, zeichnete sich durch starke Kontraste und ein Faible für Dunkelheit aus – und wird in „I, Frankenstein“ wiederbelebt. Kein Zufall, denn beide Stoffe beruhen auf Comicvorlagen von Kevin Grevioux und wurden von denselben Produzenten umgesetzt. Zwischentöne finden darin keinen Platz: nur wenn es rumst, gilt es. Nach 90 Minuten fühlt man sich wie nach einem Luftbombenangriff.

Ärgerlich daran ist nicht der Radau, sondern die Hirnfreiheit des Unterfangens: als könnte eine reichhaltigere Figur die Spaß-Architektur sabotieren, als wäre eine Ruhephase im Dauerfeuer eine Gefahr, wird alles, was nicht knallt, kracht und schreit aus dem Film geworfen. Kritiker hängen Projekten wie „I, Frankenstein“ schnell die Zuschreibung „Videospiel-Ästhetik“ um, vermutlich ohne jemals eines gespielt zu haben. Die meisten aktuellen Videospiele weisen komplexere Figuren und wendigere Handlungen auf als Hollywoods Durchschnitts-Blockbuster: ein Fließband-Produkt wie „I, Frankenstein“ ist die Ausgeburt einer Angst erstarrten Mega-Industrie. Vor lauter Panik, die rund 70 Millionen könnten verloren sein, rast man auf ausgetretenen Pfaden dahin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2014)

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