Polt: „Adolf Hitler hatte Charme und Schmäh!“

Gerhard Polt Und Äktschn
Gerhard Polt Und Äktschn(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Der Kabarettist Gerhard Polt über „.. und Äktschn!“, Hitler-Parodien, den Reiz des Mediokren und die Mundart. Diese sei die „gescheitere, die wärmere Sprache“.

Die Presse: In einem kleinen Ort dreht ein schrulliger Cineast namens Hans Pospiech einen Film über Adolf Hitler, den Biedermann hinter dem großen Diktator. Hitler-Parodien werden immer schriller. Darf man das, angesichts der Katastrophe, die dieser Mann verursachte?

Gerhard Polt: Hitler im Film ist generell entweder ein Dämon oder eine Karikatur, eine Witzfigur. Wir wollten ihn nicht so zeigen, sondern den Gegensatz zwischen Maske und Realität. Wäre Hitler bloß ein brüllendes Monster gewesen, hätte er nie so erfolgreich sein können. Er hatte Charme, Schmäh, wie man in Wien sagt. Er konnte parlieren, sonst wäre er nie von der Münchner Gesellschaft aufgenommen worden, deren Schoßhund er war. Ich habe mich mit einigen Leuten unterhalten, darunter dem Hitler-Biografen Werner Maser und dem Kabarettisten Werner Finck. Wir wollten uns mit dem Geheimnis befassen: Was steckt hinter Adolf Hitler, der für die einen ein Rattenfänger war, während die anderen wie das Kind im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ sagen: „Der ist ja nackt, da ist ja nix!“

Wer ist heute der Rattenfänger?

Er müsste eine neue Melodie, eine andere Maske erfinden. Wie solche Menschen sind, hängt immer von der Zeit, der Situation ab.

Hitler-Filme haben noch immer so eine Anziehungskraft – obwohl diese Welle seit Jahrzehnten läuft. Woran liegt das?

Es gibt immer wieder aktuelle Anlässe wie die in Israel aufgetauchten Himmler-Briefe. „.. und Äktschn!“ ist aber nicht nur ein Hitler-Film. Die Idee war, in einem Ort zu drehen, wo relativ normale mediokre Leute leben, die eine Obsession haben. Diese Dilettanten sind in vieler Hinsicht der Wirklichkeit viel näher als die artifiziellen Figuren, die uns gern vorgeführt werden. Es geht um das real existierende Dilettanten- und Amateurtum. Mit dem Pospiech spiele ich auch meine Generation, die Leute, die Militaria sammeln, die sich mit ihren Eltern herumschlagen, die sich fragen: „Wie lebt man weiter nach dieser Katastrophe?“ Und dann ist da dieser junge Neffe, der überhaupt ahnungslos ist und fragt: „Ist der Hitler jetzt für oder gegen die Nazis gewesen?“

Ihr Film ist auch eine Liebeserklärung an das Prekariat, an Konjunktur- und Modernisierungsverlierer.

Wir haben auf der Suche nach Drehorten einen Mann getroffen, der in einem riesigen Haus voller Filmrollen und Zelluloid lebte – wie der Pospiech in seiner Garage. Sogar der Herrgottswinkel war davon zugedeckt. Dieser Mann sagte den schönen Satz, der im Film vorkommt: „Man muss sich zwischen Familie und Film entscheiden.“

Und wie haben Sie sich entschieden?

Also ich möchte schon manchmal zu Hause frühstücken.

In den 1990er-Jahren waren Sie mit der „Biermösl Blosn“ im Burgtheater zu Gast, was viel Staub aufwirbelte. Claus Peymann war Direktor, und manche Leute haben gesagt: „Jetzt setzt uns der Piefke auch noch die läppische Mundarttruppe in die heilige Burg.“ Wie war das für Sie?

Wenn man im Bierzelt besteht, ist das Burgtheater kein Problem, im Endeffekt ist es auch nur ein Raum. Das Geräucherte und Geweihte liegt mir sowieso nicht. Im Übrigen habe ich an einem anderen Weihetempel begonnen, nämlich an den Münchner Kammerspielen. Ich komme mehr von der Literatur als von der Kleinkunst.

Hat es Ihnen an der Burg gefallen?

Das Einzige, an das ich mich erinnern kann: Wir kamen das erste Mal in das riesige Burgtheater und da standen ungefähr 20 Leute, die uns helfen wollten. Sie fragten: „Was brauchen Sie?“ Wir sagten: „Vier Stühle.“

Treten Sie lieber im Bierzelt oder im Burgtheater auf?

Gott sei Dank gibt es diese Vielfalt, und jeder Platz hat etwas für sich. Was ich interessant finde: Die Menschen erkennen einander nicht und kommunizieren nicht miteinander, sie leben in Parallelwelten, bleiben in ihren sozialen Verhältnissen und marschieren stumm aneinander vorbei.

Heute sind bayerische, deutsche Dialekte viel weniger ein Reizthema in Österreich als vor 20 Jahren.

Die Mundart ist die eigentliche Sprache, alles andere ist ein Konstrukt. Die meisten Menschen verwenden, wenn sie sprechen, irgendeine Form von Mundart. Das ist ein Ventil, Mundart ist die wärmere, die gescheitere und oft auch die treffendere Sprache, sie hat Möglichkeiten, die die Hochsprache eben nicht hat.

Worüber können Sie sich amüsieren?

Wenn etwas Unerwartetes eintrifft. Davon lebt der Humor. Wenn Sie Namen hören wollen: Hans Moser, Helmut Qualtinger, Jacques Tati, Totò, de Filippo, Karl Valentin.

Fühlen Sie sich verwandt mit Valentin?

Nein. Der Karl Valentin war ein schwieriger Mensch, sehr hypochondrisch. Er hatte Atemnot, wenn er auf die Bühne musste, und psychosomatische Anfälle. Ich bin ja in meine Laufbahn nicht eingetreten, sondern eingetreten worden. Ich ergründe das nicht.

Sind Sie gern prominent?

Manche geben sich die Attitüde des Populärseins. So a Show muss i net abziehen. Wenn mich einer auf der Straße anspricht und fragt: „Sind Sie's?“, sag ich: „Ja, schon lang.“ Ich hab auch nie Autogrammkarten dabei.

ZUR PERSON

Gerhard Polt. Geboren wurde der Künstler 1942 in München. Er studierte Politologie, Geschichte, Kunstgeschichte, Skandinavistik. Beim Interview gibt er eine Probe seines Schwedisch. Er arbeitete als Übersetzer, Lehrer, Dolmetscher. Seit 1971 ist Polt verheiratet, er hat einen Sohn. Seine Karriere begann beim Radiohörspiel. Er hatte große Erfolge an den Münchner Kammerspielen. Dem breiteren Publikum wurde er durch das Fernsehen bekannt – in Kabarettsendungen u.a. mit Dieter Hildebrandt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2014)

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