„Dallas Buyers Club“: Der Rodeo-Cowboy als Aids-Rebell

Dallas Buyers Club
Dallas Buyers Club(c) Thimfilm
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Jean Marc–Vallées Drama aus den frühen Jahren der HIV-Panik ist erfrischend frech – aber nur zu Beginn. Seine Darsteller sind Oscar-Favoriten. Ab Freitag.

Ein Jahrzehnt lang wurde er als hübsches Gesicht in romantischen Komödien verschwendet, nun wendet sich das Blatt für den exzellenten Schauspieler Matthew McConaughey: Seine Intensität als Darsteller hat der 44-jährige Texaner McConaughey eigentlich seit seinem Karrierebeginn Mitte der 1990er demonstriert – aber seine besten Leistungen wurden kaum gewürdigt, weil die Filme verheizt wurden wie Richard Linklaters schönes Depressionszeit-Drama „The Newton Boys“ oder in wenig respektable Genres fielen wie die furiose Drachenkampf-Fantasy „Reign of Fire“.

Noch vor drei Jahren schlug die Krimi-Adaption „The Lincoln Lawyer“ kaum Wellen, dabei war sie nicht nur eine rundum gelungene Romanverfilmung (nach Michael Connelly), sondern vor allem eine Paradevorstellung von McConaugheys Talent, der als Titelheld virtuos zwischen Verschlagenheit und Charme wechselte. Es ist also weniger eine Überraschung als eine Genugtuung, dass McConaughey heuer ins HollywoodPreis-Rampenlicht rückt: Sein genialer Gastauftritt in Martin Scorseses „The Wolf of Wall Street“ ist zwar nicht zu übertreffen, aber seine bereits mit dem Golden Globe gewürdigte Rolle in „Dallas Buyers Club“ als homophober HIV-Positiver, der eine Art Rebell – und natürlich von seinen Vorurteilen bekehrt – wird, ist typisches Oscar-Material. Nicht zuletzt wegen der körperlichen Herausforderung. Auch Jared Leto in der zweiten Hauptrolle als Aids-kranker Transsexueller, der zum besten Freund des geläuterten Helden wird, hat sichtlich abgemagert – und erhielt den Golden Globe als bester Nebendarsteller: Nun ist das „Dallas“-Duo beim Oscar favorisiert.

McConaughey sorgt für rastlose Energie

Vor allem McConaughey, der die – bessere – erste Hälfte des Films mit rastloser Energie versorgt, beeindruckt jenseits der Abmagerungsleistung. Sein Rodeo-Cowboy Ron wird als schwerer Trinker und Raucher eingeführt, der sich bevorzugt mit mehreren Mädchen vergnügt. Als ihn ein Arbeitsunfall ins Krankenhaus bringt, kann er kaum fassen, dass bei ihm die „Schwulenseuche“ diagnostiziert wird – im Jahr 1985 ist der HIV-Virus noch von giftigen Gerüchten umgeben. Der Arzt gibt Ron noch 30 Tage, als Kämpfernatur gibt er nicht auf: In Mexiko erhält er in den USA nicht freigegebene Medikamente, die gut anschlagen. Er beginnt sie illegal zu importieren und an andere Kranke zu verkaufen – der titelgebende „Dallas Buyers Club“.

Wo vor zwei Dekaden Hollywoods frühe Aids-Auseinandersetzungen wie „Philadelphia“ mit Tom Hanks noch sichtlich um politisch korrektes Fingerspitzengefühl bemüht waren, weht hier ein erfrischend anderer Wind: Rons raubeinige bis rücksichtslose Art prägt den Film und rückt ihn zunächst fast in die Nähe einer Komödie. Doch Regisseur Jean-Marc Vallée („The Young Victoria“) und die Autoren lenken die von einem wahren Fall inspirierte Geschichte bald in sichere Bahnen. Das Porträt der frühen Aids-Panik und das nur auf Profit und Renommee bedachte Vorgehen von Pharmafirmen und ihnen höriger Administration werden zum Hintergrund für das Melodrama eines einzelnen (Teil-)Triumphs reduziert.

Die Frechheit mündet in konventionelle Risikominimerung. Letos fragile Figur ist dabei eigentlich Drehbuch-Bauernopfer; eine Ärztin (Jennifer Garner) kommt Ron näher und darf ganz in dessen rüder Art den Oberen die Meinung sagen – aber ihre Beziehung muss platonisch bleiben. Als Entertainment will man dem Publikum kein wirklich unangenehmes Risiko zumuten: trotz des wilden Helden ein Film wie Safer Sex.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2014)

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