„Das finstere Tal“: Rachefeldzug mit Kamera und Gewehr

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Andreas Prochaskas Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans besticht durch starke Stimmungen. Tobias Moretti brilliert als Schurke im abgelegenen Tiroler Alpendorf. Derzeit im Kino.

Ein wortkarger Fremder kommt in das abgelegene Dorf, und man weiß: Er will eine Rechnung begleichen. Ein klassischer Westernanfang – nur dass das Dorf diesmal nicht in einer Wüstenei von Texas liegt, sondern in den Tiroler Alpen. Die austrodeutsche Koproduktion „Das finstere Tal“ nach dem gleichnamigen Erfolgsbuch des Münchners Thomas Willman folgt der Ernsthaftigkeit der Vorlage, ohne sklavisch an Details zu kleben – keine biedere Romanabfilmung, sondern richtiges, großes Genrekino hat der heimische Regisseur Andreas Prochaska im Sinn.

Willman, auch als Filmkritiker tätig, hat als Inspirationsquellen seines Historienkrimis die Italowestern von Sergio Leone und die Heimatromane Ludwig Ganghofers genannt: Die starken Schneelandschaften von Prochaskas Verfilmung liegen näher bei Sergio Corbuccis nihilistischer Spaghettiwestern-Großtat „Leichen pflastern seinen Weg“, aber das ändert nichts daran, dass sein Film in einer heimischen Kinolandschaft heraussticht, wo etwa die unfassbare, vor allem unfassbar schlechte Neuauflage von „Im weißen Rössl“ gefördert wird: Genrekino als Fernsehen an der Grenze zur Selbstparodie. Parodie und Ironie weist „Das finstere Tal“ willkommen von sich: Wie in seinem feinen Horrorfilm „In drei Tagen bist du tot 2“ stürzt sich Regisseur Prochaska mit angemessener Ernsthaftigkeit in den Tiroler Schnee.

Was auch heißt, dass es nicht das Rad zwangsoriginell neu zu erfinden gilt, sondern es mit solidem Handwerk ins Laufen zu bringen: Der Fremde, ein Amerikaner namens Greider (der Brite Sam Riley, bekannt u. a. durch den Musikfilm „Control“), kann sich in eine Unterkunft einkaufen, bevor der Winterschnee das Dorf von der Außenwelt abschneidet. Er hat nicht nur eine Kamera dabei (eine schöne Idee für den Film, im Buch war er Maler), sondern auch ein Gewehr.

Im Tirolerischen verwurzelt

Als die Söhne des Brenner-Bauern, dessen Clan das Dorf seit Langem grausam dominiert, zu sterben beginnen, holen die Überlebenden zum Gegenschlag aus. Den gelungenen Showdown begleitet ein Popsong – nicht als ahistorischer Bruch wie bei Quentin Tarantino, sondern als Stimmungsverstärker wie Leonard Cohens Lieder in Robert Altmans „McCabe und Mrs. Miller“.

Überhaupt ist „Das finstere Tal“ ein Stimmungsfilm: Er lebt von den unwirtlichen Atmosphären des verschlammenden, einsamen Dorfes und von den Gesichtern der Einwohner, die oft auch gefurcht wie die Landschaft sind. Verstärkt wird das regionale Gefühl durch die Entscheidung für einen durchgängigen, aber milden Tiroler Akzent: Tobias Moretti, der Rädelsführer der Brenner-Brüder, gibt eine begeisternde Schurkendarstellung, wohl auch, weil er im Tirolerischen verwurzelt ist. Andere Darsteller, etwa Erwin Steinhauer in einer ansonsten beeindruckenden Leistung als bigotter Dorfpfarrer, halten den Ton nicht völlig durch.

Kleinere dramaturgische Schwächen wirken ebenfalls verzeihlich: In der ersten Hälfte ist der Film etwas unentschlossen – er scheint zugleich zu viel und zu wenig erklären zu wollen, da ist etwa die furchtbare Unterjochung des Dorfs durch den alten Brenner (Hans-Michael Rehberg) nicht stark genug zu spüren. Die Ambitionen – ein Männerfilm, von einer Frau erzählt – und vor allem die atmosphärische Macht entschädigen aber überreichlich. Daraus wachsen echte Kinobilder und starke Szenen wie eine abgründige Hochzeitsfeier, die noch lange im Kopf bleiben. Auch das eine Besonderheit im österreichischen Genrekino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2014)

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