„Non-Stop“: Suspense im Bierdeckelformat

NON-STOP
NON-STOP(c) Studiocanal
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Das recht solide kleine Spannungsstück „Non-Stop“ zeigt: Als alternder Action-Star ist Liam Neeson so etwas wie der Charles Bronson des neuen Millenniums geworden.

Wer hätte sich vor 20 Jahren gedacht, dass aus Liam Neeson – damals bei den Oscars als bester Hauptdarsteller für „Schindlers Liste“ nominiert – so etwas wie der Charles Bronson des kommenden Millenniums werden würde? Seit der Thriller „Taken“ (2008) mit Neeson als Exagent auf der Suche nach seiner entführten Tochter zu einem Überraschungserfolg wurde, erscheint praktisch im Jahresrhythmus ein Action-Vehikel, das auf den mittlerweile 61-Jährigen zugeschnitten ist.



Auch Bronson war schließlich schon jenseits der 50, als er mit dem Rachekrimi „Ein Mann sieht rot“ spät den Status eines Superstars erlangte – und die nächsten Dekaden großteils mit Action-Variationen auf dessen Selbstjustizthema verbrachte. Diese Art von Fließbandproduktion firmierte in den 1980ern bei Bronson noch als Videotheken-Action von der Stange, heute heißt die Devise für solche Konfektionsware in Hollywood (und anderswo) „high concept“. Darunter versteht man eine Geschichte, deren Vermarktungspotenzial sich in einem Satz beschreiben lässt – auf den Punkt gebracht von einer erheiternden Dialogzeile im High-Concept-Film „Das Vermächtnis der Tempelritter“: „eine Schatzkarte . . . auf der Rückseite der Unabhängigkeitserklärung?“.

Als Meister des Konzepts muss allerdings der Erfolgsregisseur James Cameron gelten: Seine „Alien“-Fortsetzung „Aliens“ wurde angeblich sofort abgesegnet, nachdem er nur den Filmtitel auf eine Tafel geschrieben – und dann einen Strich durch das abschließende „s“ gezogen hatte, um es in ein Dollar-Zeichen zu verwandeln: „Alien$“.

Erpresser-Countdown über den Wolken

Hinter der Anekdote manifestiert sich aber auch das Problem dieses Zugangs: Er geht hauptsächlich Hand in Hand mit dem Größenwahn von Hollywoods heutigen Blockbuster-Produktionen, die eine Idee, die eben auf einen Bierdeckel passt, geradezu gewohnheitshalber auf über zwei Stunden strecken – mit entsprechendem Leerlauf. Da weiß man, was man an der billigeren Instantgebrauchsware wie den Neeson-Actionfilmen hat: Die strebt noch nach einer kürzeren Laufzeit, die ihren unweigerlich zweisilbigen Originaltiteln angemessen ist. Das neueste Exemplar heißt also „Non-Stop“ und ist ein Flugzeugthriller, der in den USA bereits erfolgreich angelaufen ist, obwohl sein „high concept“ gar nicht so hoch greift.

Man stellt sich eine Produktionsbesprechung vor, in der jemand sagt: „Nehmen wir doch die Idee von ,Flightplan‘ und machen den Flugsicherheitsbegleiter zur Identifikationsfigur.“ Erinnert sich überhaupt noch jemand an den Flugzeugthriller „Flightplan“ mit Jodie Foster? Aber auch „Non-Stop“ strebt schließlich nicht nach Denkwürdigkeit, sondern nach schnellem Entertainment. Als solches ist es akzeptabler als die meiste Konkurrenz: Gemacht von einem eingespielten Team, in den Nebenrollen gut besetzt und an einer grundsoliden Spannungsstruktur aufgehängt. Neeson spielt natürlich den Air Marshal im Zentrum der Geschichte: Als gebrochener Held eingeführt – er spricht dem Alkohol reichlich zu, bevor er überhaupt ins Flugzeug steigt –, dann rasch unter Druck gesetzt.

Minirolle für Oscar-Siegerin Nyong'o

Per SMS erhält er gleich nach dem Start die erste Terrordrohung: Entweder 150 Millionen Dollar (inflationäre Zeiten: bei „Flightplan“ vor neun Jahren waren es noch 50 Millionen) auf ein bestimmtes Bankkonto – oder alle 20 Minuten stirbt ein Passagier.

Schnell wird klar, dass der Erpresser an Bord sein muss: Während der tödliche Countdown tickt und sich in schneller Abfolge zusätzliche Probleme auftun, versucht der Air Marshal also den Übeltäter unter 150 Passagieren zu finden. Dafür spannt er einige Mitflieger ein, allen voran Julianne Moore als gestresste Geschäftsfrau. Andere bekannte Gesichter dienen als die möglichen Verdächtigen, wobei die Rolle der frischgebackenen Oscar-Gewinnerin Lupita Nyong'o so klein ist, dass man weiß: Dieser Film ist lange vor „12 Years a Slave“ abgedreht worden.

Tatsächlich hat der spanische Regisseur Jaume Collet-Serra, der Neeson zuletzt auch schon im Amnesie-Thriller „Unknown“ trotz Handlungslöchern effektiv in Szene setzte, bereits das nächste Action-Vehikel für seinen Star abgedreht. Wobei „Non-Stop“ gar nicht der typische Kracher ist, den der Trailer verspricht, sondern eher eine Übung in Hitchcock-Suspense, mit plötzlichen Wendungen und doppelten Böden – gegen Ende hin wird aber selbst für relativ anspruchslose Verhältnisse die Glaubwürdigkeit einigermaßen überstrapaziert. Inklusive großer Selbsterkenntnis des Helden: „Ich bin kein guter Vater! Ich bin kein guter Mensch!“, bezichtigt er sich in der großen Ansprache des Films. Macht nichts: So, wie ihn Neeson spielt, ist er immerhin ein verlässlicher Actionheld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2014)

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