Austro-Filmfest: Angst um die Arbeit

„Those who go. Those who stay“
„Those who go. Those who stay“(C) Filmladen
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Ruth Beckermann und Houchang Allahyari siegten beim Festival des heimischen Films. Trotz der Erfolge und starker Filme herrschten Zukunftssorgen: Die Branche kämpft mit einer Petition um ihre bedrohten Jobs.

Houchang Allahyari und Ruth Beckermann erhielten die Großen Preise der 17.Grazer Diagonale. Beckermanns filigraner Essay „Those who go. Those who stay“, eben im Kino angelaufen, spinnt aus „zufälligen“ Reisebildern eine Assoziationskette zu Exil und Migration und wurde als bester Dokumentarfilm gewürdigt. Zum besten Spielfilm kürte man Allahyaris „Der letzte Tanz“ über einen Zivildiener, der für die innige Beziehung zu einer Alzheimerpatientin bestraft wird: Erni Mangold erhielt den Schauspielerpreis für die Rolle als unangepasste Alte, die durch Liebe neu erwacht.

Mangold war wie viele Prominente von Josef Hader bis Ursula Strauss auch in der Videobotschaft an Politik und ORF zu sehen, die beim Festival des österreichischen Films präsentiert wurde: Der drohende Verlust von 1500 Arbeitsplätzen wegen Kürzungsmaßnahmen beim öffentlich-rechtlichen Sender soll durch Bindung von 20 Prozent der Gebühreneinnahmen an heimische Produktionen verhindert werden. Zwischen Petition (online: www.filmfernsehfreunde.at) und Preisjubel klafft die Schere, die das Austro-Kino – und damit die Diagonale – betrifft: trotz internationalen Renommees in der Finanzkrise, inklusive Verteilungskämpfe wegen wachsender (Digital-)Produktion.

Von den KHM-Kunstschätzen zu Karloff

Mit dem resultierenden Überangebot schlägt sich die (mit der Festivalausgabe 2015 scheidende) Diagonale-Intendantin Barbara Pichler seit sechs Jahren heldenhaft herum: Einst wurde das Festival des österreichischen Films als Jahresüberblick initiiert, der wegen des Volumens längst unmöglich ist. Aber auch in einem Jahrgang ohne die ganz großen Namen wie Seidl oder Haneke ist das Austro-Kino zu Großem fähig, angefangen mit Johannes Holzhausens hervorragender Dokumentation „Das Große Museum“, die zur Festivaleröffnung in vollendeter Verité-Manier den Alltag im Wiener KHM schilderte: Auch da spielen wirtschaftliche Zwänge eine Schlüsselrolle, aber es überwiegt die Begeisterung, mit der sich Experten der Bewahrung ihrer Kunstschätze verschreiben.

Selbst da mochte sich, auf das Kino übertragen, allegorische Angst einstellen: Während im wirtschaftlichen Interesse Digitalisierung vorangetrieben wird, fehlt skandalöserweise Bewusstsein für den drohenden Verlust der Originalkunstwerke – der Filmkopien, die es zu erhalten und nicht nur zu digitalisieren gälte. Der verlässlich gute historische „Synema“-Tribut der Diagonale – heuer: Peter Lorre – mit seinen Filmkopien wirkt immer mehr wie eine letzte Bastion.

Andererseits verdankt sich ein Meisterstück wie Norbert Pfaffenbichlers „A Masque of Madness“ den digitalen Möglichkeiten: Zu seiner abendfüllenden Revision der Karriere von Boris Karloff kamen viele starke Kurzbeispiele im Experimentellen, etwa „Homeless New York 1990“, Hans Scheugls poetisch-didaktisches Obdachlosenporträt, das ein Vierteljahrhundert altes Material zum ungebrochen aktuellen Bericht formt.

Yvette Löckers dokumentarischer Liebesfilm „Wenn es blendet, öffne die Augen“, der ein sowjetisches Junkiepaar gegen die Klischees zeigt, war nicht weniger erhellend. Ungebrochene Leidenschaft im Angesicht der Verzweiflung demonstrierten auch Peter Kerns Todesdrama „Sarah und Sarah“ mit der furchtlosen Traute Furthner als Altstar und einer erheiternden Margarethe Tiesel als ihre trinkfreudige Pflegerin sowie Ludwig Wüsts „Abschied“, dessen Verlustdrama als Tribut an Michael Snows berühmten Zoom in „Wavelength“ beginnt, um nicht minder modern in einer geisterhaften Passage durch Wien zu enden, samt einer Lichtspielszene im fast leeren Saal des eben geschlossenen alten Stadtkinos. Die Diagonale bilanzierte verdient erfolgreich mit leichtem Besucherzuwachs, aber das unheimliche Gefühl von Wüsts leerem Bild trifft eine Stimmung, die zu den Zukunftssorgen in der Branche passt.

DIAGONALE 2014: DIE SIEGER

Großer Preis Spielfilm:Houchang Allahyari für „Der letzte Tanz“

Großer Preis Dokumentarfilm: Ruth Beckermann für „Those who go. Those who stay“

Innovatives Kino: Lukas Marxt für „High Tide“

Kurzspielfilm: Stefan Bohun für „Musik“

Kurzdokumentarfilm: Antoinette Zwirchmayr für „Der Zuhälter und seine Trophäen“

Schauspielpreise: Erni Mangold für „Der letzte Tanz“ sowie Gerhard Liebmann für „Blutgletscher“, „Das finstere Tal“ und „Bad Fucking“.

Kamerapreise:Joerg Burger, Attila Boa für „Das große Museum“ (Dokumentation) sowie Thomas W. Kiennast für „Das finstere Tal“ (Spielfilm)

Schnittpreise: Karina Ressler für „Oktober November“ (Spielfilm) sowie Dieter Pichler für „Das große Museum“ (Dokumentarfilm)

Publikumspreis: Gloria Dürnberger für „Das Kind in der Schachtel“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2014)

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