"The Return of the First Avenger": Was bleibt, ist die Angst

Captain America: The Return of the First Avenger
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In „The Return of the First Avenger“ wird Marvel-Comic-Held Captain America zum Staatsfeind erklärt: ein erstaunlich düsterer Politthriller zur Überwachungsgesellschaft.

Wenn man Menschen Angst macht, verzichten sie freiwillig auf ihre Freiheit. Das ist ein Schlüsselgedanke von Michael Palms exzellentem Essayfilm „Low Definition Control“, in dem zu Überwachungskamerabildern schlaue Menschen überzeugende Argumente dafür bringen, dass Regierungen und andere Machtsysteme gezielt Angstfantasien streuen, um mehr Kontrolle ausüben zu können.

„Insight“ heißt jenes streng geheime Projekt, das im Zentrum des mittlerweile neunten Marvel-Universe-Films „The Return of the First Avenger“ steht: die perfekte Horrorvision für eine gläserne Gesellschaft, in der (Meta-)Daten gesammelt und gehortet werden, in der jeder Mensch überwachbar geworden ist. Ein Programm errechnet daraus nicht nur aktuell dubiose Subjekte, sondern auch solche, die erst in Zukunft aufmüpfig zu werden drohen.

Robert Redford plant den Massenmord

Der US-Präsident ist ebenso darunter wie Wirtschaftsbosse: Die Satellitenkarte, die durch das gläserne Büro leuchtet, ist voller roter Punkte. Jeder davon ist ein Ziel: Millionen von Menschen, die via Satelliten geortet und von drei schwer bewaffneten, gigantischen Luftschiffen, den Helicarriers, ausgeschaltet werden sollen.

Ideologischer Architekt dieses präventiven Massenmords ist Alexander Pierce, brillant gespielt von Robert Redford, dem Gesicht des linkspolitischen Paranoiakinos der 1970er. Er ist einer der Altvorderen der CIA-ähnlichen Organisation S.H.I.E.L.D., die das Projekt Insight umsetzen soll. Praktischerweise ist er auch Mitglied im Weltsicherheitsrat. Sein alter Freund Nick Fury (immer großartig, immer mit Augenklappe: Samuel L. Jackson) beobachtet die Aufrüstung mit Sorge, aber prinzipieller Zustimmung. Ganz anders als Steve Rogers, besser bekannt als Captain America (Chris Evans): Marvels Supersoldatenheld hat die Nachkriegsjahrzehnte zwar eingefroren im ewigen Eis verbracht. Aber nicht einmal ihm, dem die schrittweise Gewöhnung an die moderne Welt immer noch schwerfällt, entgeht, dass Insight wohl eher nicht zum Schutz von allen, sondern eher zum Machterhalt von einigen wenigen in Betrieb genommen wurde.

Wehmütig und benommen schleicht er im Kapuzenpullover durch ein Museum, das seinem heroischen Alter Ego gewidmet ist: Alte Wochenschau-Aufnahmen werfen Bilder von einer einfacheren Welt an die Wände. Damals war noch klar, gegen wen Captain America in den Krieg ziehen muss. Heute bleibt „Cap“ sein Hurrapatriotismus im Hals stecken. Nach dem spektakulären Mord an einem Kollegen wird der ehemalige Held gemeinsam mit Elitekämpferin Natasha Romanoff alias Black Widow (eine Paraderolle für Scarlett Johansson) von Pierces Propagandamaschine zum Staatsfeind erklärt. Sie müssen in den Untergrund gehen und herausfinden, wer oder was S.H.I.E.L.D. unterwandert hat: ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn wenn die neuen Faschisten ihre Helicarrier erst einmal in der Luft haben, wenn Insight startet, ist es schon zu spät.

Den Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely, die schon Michael Bays Meisterstück „Pain & Gain“ und den ersten „Captain America“-Film geschrieben haben, gelingt mit „The Return of the First Avenger“ Unerwartetes und Meisterliches: Ohne die Mythologie der geschichtsträchtigen Comic-Figur anzukratzen, schließen sie dessen Universum an sehr gegenwärtige Gefahrenszenarien an. Bei aller politischen Brisanz taugt der Film aber auch als Action-Spektakel: Eine Verfolgungsjagd in den Straßen von Washington, D.C. gehört zu den besten Tschin-Bumm-Szenen der letzten Zeit. Inszeniert wurde der trotz über zwei Stunden Länge sehr flotte Blockbuster vom Brüderpaar Anthony und Joe Russo, eine ungewöhnliche Wahl: Bekannt wurden sie als Stammregisseure der Comedy-Serien „Arrested Development“ und „Community“ – was erklärt, wieso der Dialogwitz besser funktioniert als in vielen anderen Marvel-Filmen.

Kampf gegen die Elite-Kriegsmaschine

Die Schmähs sind auch notwendig, um die düstere Weltbefindlichkeitsprognose als Politthriller etwas erträglicher zu machen. Personifiziert wird die menschenverachtende Politik von dem Elitekämpfer, den S.H.I.E.L.D. zum Kampf gegen Captain America schickt: The Winter Soldier, so auch der Originaltitel des Films, tritt nach Gehirnwäsche und aufgemotzt mit Iron-Man-artigen Metallteilen als fremdgesteuerte Kriegsmaschine auf, die in sämtlichen Konflikten des 20.Jahrhunderts eingesetzt wurde – und alle überlebt hat.

Diese Kreatur ist ein grelles Sinnbild dafür, dass die Essenz faschistischer Logik auch in der aktuellen Sicherheitspolitik wirkmächtig ist: Der Wintersoldat kämpfte für die Nazis ebenso wie für S.H.I.E.L.D. Die Vergangenheit kann weder verdrängt noch verarbeitet werden. Wenn man nicht aufpasst, errichten ihre Agenten neue Kriegsschiffe, neue Glastürme, neue Waffen: für das Wohl von allen, für die Sicherheit.

Was bleibt, ist die Angst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2014)

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