Attentat in Sarajewo im TV: "Heute begann mein Krieg"

Das Attentat Sarajevo 1914
Das Attentat Sarajevo 1914(c) ORF (Petro Domenigg)
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Ein etwas braver Spielfilm und eine vielschichtig angelegte Dokumentation erinnern an das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo vor 100 Jahren.

Die Beteiligung Serbiens an dem Attentat war, wenn überhaupt vorhanden, gering.“ Zu dieser Schlussfolgerung kommen Experten in der Dokumentation „Der Weg in den Untergang“ von Robert Gokl und Leo Bauer, die im Rahmen des ORF/ZDF-Sarajewo-Schwerpunktes am Donnerstag (24.April) in ORF2 zu sehen ist. Am Tag davor (23.April) wird „Das Attentat Sarajevo 1914“, ein Historien-Spielfilm von Andreas Prochaska, gezeigt.

Vielschichtig ist die Dokumentation angelegt: Nicht nur die historische, sondern auch die geopolitische und die wirtschaftliche Lage, die den Krieg begünstigten, werden beleuchtet, etwa der Kampf zwischen der Industriemacht England und dem aufstrebenden Deutschland. Oft das Wort hat Manfried Rauchensteiner, ein exzellenter Kenner österreichischer Geschichte und bis 2005 Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums. Jean-Paul Bled spricht über den eigensinnigen Thronfolger, dem er sein Buch widmete – Farbe dazu liefert Franz Ferdinands Urenkelin Anita Hohenberg.

Näher bei JFK als bei Sisi

Befragt wurden weiters aus England David James Smith („One Morning in Sarajevo“) und Iskra Schwarcz vom Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien, sie erläutert die Lage in Russland, wo die späte Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 zu weiteren (in Tschechow-Stücken anklingenden) schweren wirtschaftlichen Turbulenzen führte, die letztlich eine Ursache für die Oktoberrevolution waren. Rudolf Jérabek befasste sich mit der Schlüsselrolle des Offiziers und Landesschefs von Bosnien-Herzegowina, Oskar Potiorek, der die Schuld am Attentat um jeden Preis von sich ab- und auf Serbien überwälzen wollte und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit der Notiz begrüßte: „Heute begann mein Krieg.“

Näher bei JFK als bei Sisi, das war die Devise von Regisseur Andreas Prochaska für seinen „investigativen Thriller“, der heute, Mittwoch, läuft: „Das Attentat Sarajevo 1914“ beschert dem Theaterpublikum ein Wiedersehen mit dem Untersuchungsrichter Leo Pfeffer, den Milo Dor in seinem Roman „Der letzte Sonntag“ verewigte. In der Motiven aus dem Buch folgenden Uraufführung von Milan Dor und Stephan Lack Anfang April im Theater in der Josefstadt spielte Erwin Steinhauer diesen Pfeffer, der das Attentat auf den Thronfolger untersuchen und möglichst rasch möglichst serbische Schuldige dingfest machen soll.

In Prochaskas Verfilmung dagegen ist Steinhauer als Oskar Potiorek zu sehen, den Untersuchungsrichter spielt Florian Teichtmeister, der als sehenswertes Kontrastprogramm zu Steinhauer vor allem die Skrupel und Widerborstigkeit Pfeffers, der von allen Seiten unter Druck gesetzt wird, herausarbeitet. Teichtmeister, schnell, wendig, fährt Rad und eilt mit diesem auf der Schulter Treppen hinauf. Dieser Pfeffer möchte seine Sache gut machen, aber er denkt auch an sich, an seine Geliebte und an ein neues Leben, vielleicht irgendwo ganz anders auf der Welt.

Zwei weitere Highlights gibt es im Film: Juergen Maurer als Fiedler, Justizchef von Sarajewo, dieser Kriegstreiber hat sehr persönliche wirtschaftliche Interessen im Auge: „Österreich kriegt Serbien, Berlin seine Bahn nach Bagdad.“ Das freut die Stahlindustrie und treibt die Aktiengewinne von Krupp & Co. in die Höhe. Fiedler besitzt ein Aktienpaket.

Akribisch statt innovativ

Die Existenz des serbischen Getreidelieferanten der österreichisch-ungarischen Armee hingegen ist durch das Attentat ruiniert, er muss mit seiner Tochter fliehen. Pfeffer soll dabei helfen. Insgesamt wirkt der Film etwas altmodisch, episch, er erfordert Geduld. Der gebürtige Bad Ischler Prochaska, der 2010 mit dem Film „Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott“ Lachstürme auslöste, drehte zuletzt das „Finstere Tal“, eine Mischung aus Western und Heimatfilm mit Tobias Moretti, die bei den Filmfestspielen in Berlin lief. Prochaska wollte das Prestigeprojekt „Sarajevo“ vermutlich besonders akribisch und perfekt realisieren, innovativ oder locker ist da nichts, aber, wie gesagt, es gibt immer wieder ein paar neue Aspekte oder auch spannende Spekulationen.

Bei den Festspielen in Reichenau wird Anfang Juli „1914 – Zwei Wege in den Untergang“ von Nicolaus Hagg über die Rolle des serbischen Chefs der nationalistischen Geheimorganisation Schwarze Hand beim Attentat uraufgeführt. „Verschwörung in Sarajevo“ heißt ein Buch des „Profil“-Journalisten Gregor Mayer, das sich in einer Mischung von Roman und Bio mit „Triumph und Tod des Attentäters Gavrilo Princip“ beschäftigt (Residenz Verlag).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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