Falco auf der Leinwand: Kein David Lynch-Film

Donnerstag Sommernacht: 'Falco Live - Der Falke ist wieder da'. Im Bild: Falco (Archivbild 1993). SENDUNG: ORF1, DO, 01.07.2004, 00:05 UHR.
Donnerstag Sommernacht: 'Falco Live - Der Falke ist wieder da'. Im Bild: Falco (Archivbild 1993). SENDUNG: ORF1, DO, 01.07.2004, 00:05 UHR.(c) ORF (Johannes Cizek)
  • Drucken

Der Hype zu Falcos zehntem Todestag wird wohl ausbleiben: Thomas Roths Film-Bio ist einfach zu schlecht.

Das Leben ist kein David-Lynch-Film. Für gewöhnlich kommt der Dienstag vor dem Mittwoch, und man muss erst 20 werden, bevor man 30 werden kann. Das gilt auch für das Leben von Popstars. In diesem Sinn kann man Regisseur Thomas Roth nicht vorwerfen, dass er für seinen Falco-Film eine schlichte lineare Erzählweise gewählt hat: Wer einem Leben nachstellt, darf es nachstellen, das ist keine Schande.

Auch das Format Pseudodokumentation kann funktionieren, das zeigt derzeit Control, der in aller Schlichtheit berührende und packende Film über den „Joy-Division“-Sänger Ian Curtis. (Anm.: Der erste Filmkritiker dieser Zeitung ist hier anderer Meinung.) Wie es sicher nicht funktioniert, das zeigt Thomas Roths Falco – Verdammt, wir leben noch (ab 7.2. im Kino).

Dieser Film ist von Anfang an Austropop im schlechtesten Sinn: anbiedernd, geschwätzig, klischeeverliebt. Es beginnt gleich mit der Dreifaltigkeit Erfolg/Tod/Donauwalzer, und schon sind wir beim Gute-Nacht-Kuss, den Mama Hölzel ihrem Buben appliziert. Alles klar: Diese Mutter muss ihn erdrücken, den Liebling, aber Popstar will er halt so gern werden, der Bub...

Ein paar läppische Szenen später sieht man schon, Achtung Zitat, die Goldfische im U4, und den erwachsenen Falco dazu. Es spielt ihn Manuel Rubey, Sänger der Ö3-Popband „Mondscheiner“, und er ist auch Teil des Problems. Denn Rubey hat Gestik, Mimik und Gesangsstil des Falken bewundernswert originalgetreu einstudiert, aber er bleibt bubihaft, die männliche Coolness, die Falco selbst im Delirium noch ausstrahlte, wohnt nicht in seinem Gesicht. Als Rainhard-Fendrich-Darsteller würde er vielleicht überzeugen, aber ein Falco ist er nicht.

„Groß, blond und tuberkulös“

Dabei gehen ihm die Oneliner, die naiv-schlauen Schmähs, die Roth meist großzügig aus Falco-Interviews geschnitten hat, nicht einmal so schlecht von der Zunge: Sie sind das Beste an diesem Film. Wenn Falco seine Eroberung mit „Genau mein Typ: groß, blond und tuberkulös“ beschreibt oder den Erfolg in Deutschland mit der Anmerkung quittiert, dass die „Piefke“ halt doch keinen so üblen Geschmack hätten, dann wirkt das. Auch weil Rubey die aus Hietzingerisch und Kiffer-Slang, Edelprolopatois und kosmopolitischem Jive Talkin' selbstgebastelte Kunstsprache Falcos gut nachahmt. Eine goldene Nase dafür!

Papieren sind dagegen die Dialoge mit dem Manager, dem besten Freund und der Gattin, die von Isabella auf Jacqueline umbenannt wurde, aber eine fesche Xanthippe geblieben ist. „Schau, dass du wieder der Hans wirst“, sagt er, „Hans, du hast zu wenig Liebe gekriegt“, sagt sie, da muss man ja verzweifeln, da hilft ja nur die Flucht in die Drogen und in die Dominikanische Republik.

Sequenzen aus dem dortselbst stattfindenden Ende unterbrechen viermal quasi als Teaser die Handlung, bis es dann endlich, nach abgelaufenen zwei und gefühlten vier Stunden, so weit ist: Falco kracht in den Bus, „Out of the dark“ erklingt, Abspann.

In diesem erfährt man u.a., dass es wirklich Grace Jones war, die die Kellnerin gespielt hat: Tragisch, dass die einstige Discoprinzessin sich für solche Kabaretteinlagen hergeben muss. Und Kabarett ist vieles in diesem Film. Nicholas Ofczarek etwa, der den Markus Spiegel viel zu ölig und viel zu wenig schlau spielt. Oder Sunnyi Melles als kinderliebe Gunstgewerblerin. Oder Alexander Jagsch als ganz besonders uncooler Ö3-Redakteur. Die Eheszenen sowieso.

Drogen (auf dem Glastisch), Sex (bei Gewitter) und Rock'n'Roll (ebenfalls) werden in den üblichen Einstellungen dargestellt, wobei der Rock'n'Roll am meisten leidet: Der Aufwand, die Konzerte (mit Live-Publikum) nachzuspielen, hat sich nicht gelohnt, man spürt nichts von der Überflieger-Aura, die Falco ausstrahlen konnte. Genauso sinnlos war die Fleißaufgabe, die sattsam bekannten Dolezal-Rossacher-Videos penibel nachzustellen. Sie sehen genauso bemüht aus wie ehedem, im Rückblick wirken sie tragisch, illustrieren, wie die bizarre Maschinerie rund um diesen Mann versuchte, ihm künstlich aufzusetzen, was er von selbst im Übermaß hatte: Coolness, Gefühl für den Zeitgeist.

Diese Pop-Tragödie, aber auch dieses Leben, in dem ja alles perfektes Rührstück ist, vom entflohenen Vater bis hin zur falschen Vaterschaft – was für eine Vorlage! Thomas Roth ist daran gescheitert. Das wäre nicht so schlimm, sein Held war ein großer Meister des Scheiterns und konnte daraus noch ein wunderbares Spektakel machen. Aber Roth ist unspektakulär gescheitert.

Bleiben wir halt bei den DoRo-Dokus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.