"There will be blood" im Kino: Monument für einen Misanthropen

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Daniel Day-Lewis im verblüffenden Epos „There Will Be Blood“. Ab Donnerstag.

Ein mächtiges Rumpeln prägt diesen Film: Das Öl bahnt sich den Weg durchs Gestein, erschütternde Bässe steigern sich zum Crescendo, bis die Fontäne hervorspritzt und Chaos auslöst.

Im Historienepos There Will Be Bloodüber einen rücksichtslosen Ölmagnaten zeigt US-Autorenfilmer Paul Thomas Anderson (Boogie Nights, Magnolia) wieder außergewöhnliche Ambition: Er will verblüffen – und verblüfft oft schon durch schiere Ungewöhnlichkeit. Etwa beim Beschwören archaischer Kräfte. Dazu gehört auch die Figur, die den größenwahnsinnigen, exzentrischen Tonfall des Dreistundenfilms prägt: Daniel Plainview, von Daniel Day-Lewis gespielt als von Instinkten, Gier, Menschenhass Getriebener – darstellerischer Inbegriff einer überlebensgroßen „Tour de Force“.

Eingebettet sind Aufstieg und Fall – vor allem der Fall – des Pionierkapitalisten in eine Erzählung, die sich zunächst aus Elementarem speist: Öl und Feuer, Stein und Metall, Schweiß und Blut und Tränen. In einem frühen Schlüsselbild wandert ein Ölfleck von Plainviews Hand zur Stirn eines Babys wie das Mal (s)einer Dynastie. There Will Be Blood ist auch eine amerikanische Familiensaga, in der Geschäftsinteressen die Blutsbande ersetzt haben: Sie beginnt 1898 mit einem einsamen Silberfund Plainviews, folgt dann seiner Karriere als Ölbohrer bis zum vom Titel versprochenen, absurd schrecklichen Ende des Selbsthassspektakels auf der Kegelbahn einer zum Mausoleum gewordenen Riesenresidenz 1926.

Sirenen-Soundtrack und Funkenschlag

Dass dieser Zeitraum in etwa der Stummfilmära entspricht, ist konzeptuell bedeutsam: Andersons Umgang mit Schweigen und Ton ist höchst auffällig, vom unkonventionellen, ans Atonale rührenden Sirenen-Soundtrack von „Radiohead“-Gitarrist Jonny Greenwood bis in die Motivik der Geschichte, die auch entlang der Gegensätze von Sprechen und Stille, von Wort und Tat funktioniert. Fast 20 Minuten wird erst auf Dialog verzichtet: Minenarbeit als Erlebnis des Klangs einer funkenschlagenden Spitzhacke auf Erz und Plainviews Keuchen.

In einer großen Ansprache bezeichnet der Ölmann sich dann als Geschäfts- wie Familienmenschen (wie Disney): Seine mehrfache Variation dieser Rede zählt zu den vielen Kabinettstücken eines monumentalen Films, der in Details und Kunstwillen besticht, aber dennoch – bewusst? – auch monumentale Leere hinterlässt, während er von Historienhorror zu schwarzer Komödie schwankt. (Im Extremfall erinnert Plainview manchmal an den skrupellosen Kraftwerksbesitzer der TV-Serie „Die Simpsons“: Als wäre man im fiktiven Film Monty Burns – die frühen Jahre.)

Ein Mann des Worts, ein Prediger (Paul Dano) wird logischer Antagonist des reichen Misanthropen, der wird darüber ganz zum Killer: Filmisch ist das oft bestechend, aber wenig tiefgründig, wie auch der Konflikt von Religion und Wirtschaft oder die verkomplizierten (Wahl-)Verwandtschaften: „Bruder“ nennt der religiöse Scharlatan den anderen. Gemäß Andersons Archaik ist das vielleicht schlicht seine Idee von Amerikas Archetypen. Mit dem auch anlaufenden, artistisch gegensätzlichen Action-Reißer John Rambo bildet sein Epos ein Diptychon zur schwarzen Seele und Gewaltbereitschaft einer Nation.

REGISSEUR: Ex-Wunderkind

Paul Thomas Anderson galt seit seinem Erfolgsepos „Boogie Nights“ (1997) als Wunderkind des US-Kinos, für „There Will Be Blood“ wird der 37-jährige Kalifornier nun als Meister gefeiert: Sein Epos ist für acht Oscars nominiert und gilt als Favorit im Wettbewerb der aktuellen „Berlinale“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2008)

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