"Wir verstehen uns wunderbar": L'Amour in Glamour und Latex

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Film-Kritik. Die französische Komödie „Wir verstehen uns wunderbar“: ein pointenreicher Krieg der Welten.

Am 30. April 1975 ist der Vietnamkrieg beendet: Die Kommunisten nennen es die „Befreiung“, die US-Amerikaner den „Fall“ Saigons. Dieses weltgeschichtliche Ereignis lauert im Hintergrund von Antoine de Caunes' amüsanter Komödie der Eitelkeiten „Wir verstehen uns wunderbar“: Während in Südvietnam Panzer die Umzäunung des Präsidentschaftspalastes durchbrechen, geht in Frankreich der glamouröse Liebeskrieg zwischen dem Regisseur Louis Ruinard (famos ungelenk: Jean Rochefort) und der Schauspielerin Alice d'Abanville (glänzend: Charlotte Rampling) mit einem Knall zu Ende.

Posen, Ruhm und Größenwahn

Die dreißig Jahre, die seither vergangen sind, eröffnen „Wir verstehen uns wunderbar“. In Schwarz-Weiß-Fotografien reitet eine französische Filmgeschichte am Zuschauer vorbei, erzählt von Posen, Ruhm und Größenwahn, bis ein Auktionator dazwischen ruft. In der Gegenwart werden eben diese Bilder (der Liebe) an eine elitäre Klientel versteigert, die Amour zwischen Louis und Alice hängt dann in irgendeinem Kaminzimmer über irgendeinem Fauteuil. De Caunes' pfiffige Komödie schillert vor allem aufgrund der Couplage von Knautschgesicht Rochefort und „Iron Lady“ Rampling in allen möglichen Farben: Alice hat dem Kino längst abgeschworen und schreitet schreckgeschminkt in Shakespeares „Titus Andronicus“ über eine Londoner Theaterbühne. Mit ihrem Partner Lord Evelyn Gaylord (der 2007 verstorbene Ian Richardson in einer seiner letzten Rollen) und ihrem Sohn Paul (James Thiérrée) bewohnt sie ein Schloss, in dem sich der Höhenflug des europäischen Films (und damit ihr eigener) in den 1960er- und 70er-Jahren konservieren und weiter leben hat lassen. Louis ist weniger gut gealtert: Eine Preisverleihung für sein Lebenswerk (mit einem Gastauftritt von Sänger Boy George) signalisiert ihm das Karriere-Ende, und seine aktuelle Produktion ist in eine finanzielle Krise geschlittert. Als die beiden einander begegnen, beginnt ein pointenreicher Krieg der Welten.

„Wir verstehen uns wunderbar“ ist als doppelbödige Floskel auch Inhaltsbeschreibung: Es geht um einen Blick hinter die Kulissen öffentlich inszenierter Beziehungen. Dabei ist weniger die ziemlich geziemte Gangart bemerkenswert als die grotesken Einsprengsel: Lord Gaylord macht seinem Namen Ehre, wenn er im Latex-Ganzkörperanzug auf einer schwulen Swinger-Feier frohlockt. Höhepunkt ist jedoch ein Abendessen im mit knatterbunten Safari-Trophäen voll geräumten Landhaus des neureichen Kunstmäzens Gilbert Carrington, der Alice d'Abanville für Mary Poppins hält. Spätestens wenn dessen Mutter bei Tisch in ein ausgehöhltes Elchgeweih trötet, weiß man, dass man sich mit dieser Komödie letzten Endes wunderbar verstehen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2008)

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