"Guardians of the Galaxy": Antithese zu Superhelden

Die ''Guardians of the Galaxy'': Star-Lord/Peter Quill (Chris Pratt), Groot ( im englischen Original von Vin Diesel gesprochen), Rocket Racoon (im englischen Original von Bradley Cooper gesprochen), Drax the Destroyer (Dave Bautista) and Gamora (Zoe Saldana)
Die ''Guardians of the Galaxy'': Star-Lord/Peter Quill (Chris Pratt), Groot ( im englischen Original von Vin Diesel gesprochen), Rocket Racoon (im englischen Original von Bradley Cooper gesprochen), Drax the Destroyer (Dave Bautista) and Gamora (Zoe Saldana) (c) Disney/Marvel
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In James Gunns "Guardians of the Galaxy" tanzt eine witzige Gang von Underdogs zum Sound von Mutterns Mixtape – und rettet zufällig die Galaxie.

Ein genmanipulierter Waschbär und ein sprechender Baum retten die Galaxie: Hört sich nach einem Designerdrogentrip an, ist aber Handlungselement von „Guardians of the Galaxy“. Der jüngste Marvel-Film nimmt sich einer eher obskuren Brigade von Weltraumrettern an, die bisher wohl nur eingefleischten Comiclesern bekannt war. Nachdem sie zum ersten Mal in den Sechzigerjahren in Aktion getreten waren, wurden die „Guardians“ 2008 runderneuert wieder aufgelegt. Überraschend ist dennoch, dass der mittlerweile dem Disney-Konzern unterstellte Marvel-Verlag nach kommerziellen Höhenflügen von Schlüsselfiguren wie Spiderman und Iron Man jetzt das dezidiert dementere Universum der galaktischen Wächter auf die Leinwand bringt.

Die Truppe, angeführt von Peter Quill, genannt „Star Lord“ (perfekt verkörpert von Chris Pratt), ist jedenfalls die Antithese zum klassischen Superhelden-Stadel: Neben dem übellaunigen, fluchenden und wenig vertrauenswürdigen Waschbär Rocket wirkt selbst der hedonistische Egomane Tony Stark alias Iron Man großherzig und wohlwollend. Die „Guardians“ sind demnach das dreckige Dutzend des Marvel-Universums und, wie man so schön sagt, „They get the job done!“ Vor allem, wenn die Musik stimmt: Mit „Awesome Mix Vol. 1“ hat Quills Mutter jene Kassette mit gut abgehangenen Hadern aus den 1970er- und 1980er-Jahren beschriftet, die sie dem Sohn vor ihrem Tod geschenkt hat. Dubioses („Hooked on a Feeling“ von Blue Swede) bis lässiges („Cherry Bomb“ von The Runaways) Liedgut bringt den intergalaktischen Glückssucher und Artefakt-Schmuggler zum Tanzen – und sorgt für einen eklektischen, bemerkenswerten Blockbuster-Soundtrack.

Der Walkman inklusive Mixtape von Muttern ist eine Art Talisman für den „Star Lord“: Immer wieder versucht er auch die anderen „Guardians“, im Besonderen die wunderschöne, grünhäutige Gamora (Zoe Saldana) dazu zu animieren, ihren Körper rhythmisch zur Musik zu bewegen – mit bescheidenem Erfolg. Regisseur James Gunn ist ebenfalls kein Kind von Traurigkeit: Sein Handwerk hat er in der legendären Exploitationfilm-Schmiede Troma (deren Mitgründer Lloyd Kaufman hat einen Gastauftritt in „Guardians“) gelernt und später mit der schrillen Superhelden-Tragikomödie „Super“ gezeigt, wie einfach es sein kann, Subversives in einen Spektakelfilm einzuschmuggeln.

Gunn versteht die Mechanismen des Genres, das er bedient: sein „Guardians of the Galaxy“ bewirft das Publikum mit genügend visuellen Wow-Effekten, um als klassischer Großfilm durchzugehen, nützt dann aber vor allem die Ruhe zwischen all dem Lärm, um der Geschichte seine sehr persönliche Note zu verleihen. Dazu gehört nicht nur, dass das Raumschiff von Peter Quill aussieht wie sein Kinderzimmer aus den Mittachtzigern, ALF-Poster und Troll-Puppen inklusive. Sondern eben auch, dass er die leuchtende Kugel, einen sogenannten „Infinity Stone“, hinter dem alle her sind und der selbstverständlich das Potenzial hat, ganze Planeten auszulöschen – sonst wär's auch langweilig – als offensichtlichen MacGuffin herausstreicht: Das Ding ist notwendig, um die Geschichte von A nach B zu bringen, aber eigentlich will Gunn nur von seinen Figuren erzählen.


Schlagabtausch à la „Star Wars“. Das (Anti-)Heldenensemble funktioniert dann auch hervorragend: Die Beziehung zwischen Quill und Gamora, der Ziehtochter des Weltenzerstörers Thanos (gesprochen von Josh Brolin), ist ein höchst amüsantes, erotisch aufgeladenes Hin und Her, am ehesten vergleichbar mit den augenzwinkernden Schlagabtäuschen zwischen Han Solo und Prinzessin Leia in „Star Wars“. Und dann sind da noch Rocket (Stimme: Bradley Cooper) und Groot (Vin Diesel): Der waffengeile Waschbär und der Baum, der nur „Ich bin Groot!“ sagen kann, als ein Herz und eine Seele mitten im intergalaktischen Krieg. Komplettiert werden die „Guardians“ von Drax (Profiwrestler Dave Bautista), einem dunkelgrauhäutigen, tätowierten Krieger, der alles wörtlich nimmt, auch die Metaphern.

Die Dialoge, die James Gunn diesem Quintett auf den Leib geschrieben hat, sind so schnell, schlau und witzig, dass sie direkt aus einer Screwball-Komödie der 1940er-Jahre stammen könnten. Auch die Nebenfiguren machen Eindruck: Kultgrantler Michael Rooker gibt einen hervorragend verrohten Weltraumbanditen, Glenn Close beeindruckt mit intergalaktischer Hochsteckfrisur und Benicio del Toro amüsiert als fanatischer Sammler, visuell angelegt als Kreuzung zwischen Jim Jarmusch und Liberace. Am Ende des Abspanns erhält dann sogar eine häufig geschasste Weltraumente ihren wohlverdienten Gastauftritt.


Ein mutiges Projekt. „Guardians of the Galaxy“ ist ein ideales Beispiel dafür, was alles möglich ist, wenn ein Studio ein kalkuliertes Risiko eingeht. Einen 170-Mio.-Dollar-Blockbuster auf einer Handvoll wenig bekannter Antihelden aufzubauen und das Projekt in die Hände eines Regisseurs zu legen, der sich vor allem mit angriffigen, nicht mehrheitsfähigen Filmen ein Publikum erarbeitet hat, ist mutig. Das in Primärfarben leuchtende Resultat hebt sich von so gut wie allen Spektakelfilmen der letzten Jahre wohltuend ab. Mitverantwortlich für das „Guardians“-Wunder ist Joss Whedon, Ober-Geek Hollywoods und Konsulent bei allen Marvel-Filmen, jedenfalls bis seine Fortsetzung zu „The Avengers“ unter Dach und Fach ist: Er hat begeistert auf die Idee reagiert, James Gunn für die „Guardians“-Regie zu verpflichten – wohl nicht zuletzt, da der in seinen Filmen immer aus der Perspektive von Außenseitern erzählt hat und die „Guardians“ genau das sind: eine Gang von Underdogs, die wurzellos im Weltraum umhertreibt und dann mehr zufällig als geplant die Gelegenheit erhält, die Galaxie zu retten.

Der Weiberheld, der Waschbär, der Baum, die Tyrannentochter und der Krieger sind in Kombination ein sehr menschlicher Gegenvorschlag zu den übermenschlichen Superhelden, die ansonsten durchs Kino turnen. Sie fluchen und saufen, sind kindisch, verantwortungslos und eigennützig, vor allem aber werden sie nicht geläutert am Ende, sondern dürfen bleiben, wer und was sie sind. Eben die „Guardians of the Galaxy“. Und von denen wird man in Zukunft noch sehr viel hören. Denn es könnte durchaus sein, dass Peter Quill irgendwann einen „Awesome Mix Vol. 2“ in seinen Walkman einlegt – und dann zu ganz neuen Stückerln durch den Weltraum tanzt.

Marvel im Kino

Goldgrube
Die zehn Marvel-Blockbuster haben seit 2008 rund fünf Milliarden Euro eingespielt – allein 1,1 Mrd. durch die „Avengers“ (Fortsetzung folgt 2015).

»Guardians of the Galaxy«
Die an den US-Kassen erfolgreichen „Guardians“ erhalten 2017 ein Sequel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

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