"Let's make money": Rocky Horror Picture Show of Economics

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Erwin Wagenhofer drehte mit „Let's Make Money“ eine atemberaubende Anklage gegen Kapitalismus und Finanzwirtschaft. Der Film stellt richtige Fragen, gibt allerdings manch peinliche Antwort.

Danke für einen Film zur rechten Zeit“, sagt Alexander Syllaba. Ihm gehört das Cinema Paradiso am St. Pöltner Rathausplatz. Soeben endete die Niederösterreich-Premiere des Films „Let's Make Money“. Jetzt stellt sich Regisseur Erwin Wagenhofer den Fragen des Publikums.

Jetzt sind die leeren Augen der indischen Näherin vergessen, die Kinder und Frauen, die in Burkina Faso auf den Baumwollfeldern darben. Jetzt geht es dem Publikum um „die da oben“. „Wer wird zur Verantwortung gezogen“, fragt eine Frau. Und sie meint Politiker, Banker, Finanzmanager.

Der Film will zeigen, was mit unserem Geld passiert, wenn wir es auf die Bank tragen und hohe Renditen erwarten. Der Film stellt gute Fragen: Kann unser Geld arbeiten? Kann Wachstum unendlich sein?

„Irgendwann hat ein kluger Mensch den Begriff ,Emerging Markets‘ erfunden“, hört man in dem Film Finanzmanager Mark Mobius sagen. Das klinge gleich viel netter als Dritte Welt. Mobius ist tatsächlich ein Superstar in der Finanzwelt. Er investierte in Indien oder China, als noch keiner daran dachte. Der kahlköpfige Endsechziger residiert in einem Wolkenkratzer in Singapur und hat nur drei Probleme. Er ist eitel, hässlich und gewissenlos. Und damit erfüllt er genau jene Parameter, die Wagenhofer benötigt, um den Kapitalismus so richtig vorzuführen. „Die beste Zeit zu kaufen ist, wenn das Blut auf den Straßen klebt“, sagt Mobius.

Mirko Kovats wird vorgeführt

Wagenhofer sucht sich seine Protagonisten penibel aus. Dann begleitet er sie so lange, bis er die richtigen Sätze serviert bekommt. „Hier schreit keiner nach der Gewerkschaft. Hier ist Selbsthilfe angesagt.“ Das Statement stammt vom österreichischen Industriellen Mirko Kovats, der sein Werk in Indien inspiziert. Als er erfährt, dass ein indischer Hilfsarbeiter 200 Euro im Monate verdient, meint er: „Man kann es sich nicht leisten, großzügig zu sein.“

Das sind die Momente, in denen der Film tatsächlich wirtschaftliche Aussagekraft hat. Nämlich: Wenn bei einem Manager die Selbstherrlichkeit und der Geltungsdrang größer sind als der Verstand, sollte man sein Geld woanders investieren.

„Kovats war eitel genug, um mitzumachen“, erzählt Wagenhofer etwas höhnisch. Kovats war allerdings nur dritte Wahl. Lieber hätte Wagenhofer den Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, vorgeführt. „Es war auch Androsch im Gespräch“, erzählt er. Aber die beiden dürften wohl den Namen „Wagenhofer“ gegoogelt haben. Auf Google hätte Kovats erfahren, dass Wagenhofer mit „We Feed the World“ den erfolgreichsten Dokumentarfilm Österreichs geschaffen hat. Seinen Einblick in die Welt der Nahrungsmittelindustrie.

In seinen Dokumentarfilmen dokumentiert Wagenhofer vor allem eines: seine vorgefasste Meinung. „Ich schreib' zuerst das Drehbuch. Da steht etwa: Ein österreichischer Industrieller besucht sein Werk in Indien“, gewährt er Einblick in seine Arbeitsweise. Wagenhofer kennt das Ergebnis, bevor die Kamera läuft.

Exzellente Manipulation

Mit der Kamera blickt er der Armut in die Augen und dem Reichtum ans Handgelenk, das eine protzige Designeruhr ziert. Er filmt die Maßschuhe der Manager und die nackten Füße der Frauen im indischen Steinbruch. Er lässt die Geier über den Baumwollbauern in Burkina Faso kreisen und die Tauben über dem Finanzzentrum Londons. Wagenhofers Bildsprache ist exzellent und manipuliert auch exzellent.

Ihn interessiert nicht der indische Ingenieur, der bei Kovats 2000 Euro im Monat verdient und so seine Familie aus dem Elend des Slums befreit. Ihn interessieren nicht die 100 Millionen Inder, die es dank Globalisierung zu bescheidenem Wohlstand gebracht haben. Sie stehen nicht im Drehbuch. Und das ist auch in Ordnung so: Elend kann nicht aufgerechnet werden. Die Welt ist keine Gewinn-und-Verlust-Rechnung.

Aber die Welt ist auch nicht so einfach, wie sie Wagenhofer darstellt. Wenn er den deutschen SPD-Politiker Hermann Scheel sagen lässt: „Privatisieren kommt vom lateinischen Wort ,privare‘ und das heißt ,berauben‘“, dann übersetzt der Träger des Alternativen Nobelpreises nur seinen Teil der Wahrheit. „Privare“ bedeutet ebenso „befreien“. Für Scheel, der vehement für eine Koalition der SPD mit den Linken eintrat, heißt Privatisierung allerdings „die Gesellschaft enteignen“.

Und so verliert der Film dann an Glaubwürdigkeit, wenn er versucht, Antworten zu geben. Mitunter wird er sogar peinlich. Wenn Verschwörungstheoretiker und Autor John Perkins behauptet, der Irak-Krieg sei von den USA vom Zaun gebrochen worden, weil Saddam Hussein Öl nicht mehr in Dollar, sondern in anderen Währungen verkaufen wollte, muss die Kamera schnell über das Gräberfeld in Arlington schwenken, um von so viel Schwachsinn abzulenken.

Wenn Wagenhofer dann auch noch selbst diese krausen Theorien in Interviews als seine Meinung auftischt, ist es nicht mehr peinlich, sondern unerträglich. Unerträglich dumm.

Das Problem von „Let's Make Money“ beginnt, wo Ausbeutung und Armut von Verschwörungstheorien und Populismus übertönt werden. Das führt dazu, dass der Film den Betrachter mit einem guten Gewissen entlässt. Schließlich sind es „die da oben“, die schuld sind. Das Elend der Welt wird zwar gezeigt, aber gleichzeitig wieder ausgeblendet. So verkommt der Streifen zu einer Rocky Horror Picture Show. Da passt es, dass die Premierenfeier von der Bank Austria gesponsert wird.

Und Wagenhofer? Er redet noch immer über Wirtschaft. Er ist nicht Regisseur, sondern mimt den Wirtschaftsexperten. „Wie wird das mit der Finanzkrise weitergehen?“, wird er gefragt. „Wenn ich sag', was ich mir denke, dann schaut's traurig aus“, sagt Wagenhofer. Genau das ist sein Problem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2008)

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