„5 Zimmer, Küche, Sarg“: Dieser Film wird Vampiren nicht gefallen

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Die Neuseeländer Taika Waititi und Jemaine Clement, zwei der witzigsten Menschen auf diesem Planeten, haben für „5 Zimmer, Küche, Sarg“ in einer Vampir-WG gedreht. Und siehe da: Auch dort gibt es Putzpläne.

Es ist ein klassischer Fall von „So tun, als ob“: Denn natürlich wird niemand, der sich die neuseeländische Vampir-Komödie „5 Zimmer, Küche, Sarg“ ansieht, dem Dokumentarfilm-Schmäh erliegen. Andererseits: Wenn einer tatsächlich daran glauben kann, dass „Scripted Reality“-Fernsehformate so etwas wie Wirklichkeit oder Lebensechtheit produzieren, wieso sollte der dann nicht auch eine Blutsauger-WG in der Nähe von Wellington als gegeben ansehen? Alle anderen tun eben so, als ob. Der Film, der im Original den wunderschönen Titel „What we do in the shadows“ trägt, ist eine Mockumentary; ein Wort, das sich aus „to mock“, also „veräppeln“, und „Documentary“ zusammensetzt, womit auch gleich die Essenz dieses immer wieder genial ausgelegten Sub-Genres (etwa: „This is Spinal Tap!“ von Rob Reiner) beschrieben wäre.

In „5 Zimmer, Küche, Sarg“ erhält ein Filmteam Einblicke in den Alltag von vier sehr verschiedenen, aber insgesamt grundsympathischen Vampiren. Gemeinsam leben sie, die jeweils aus verschiedenen Jahrhunderten stammen, in einem standesgemäß schauerromantischen Haus. Seele der Wohngemeinschaft ist Viago (wunderbar dandy- und dödelhaft dargestellt von Ko-Regisseur Taika Waititi), der versucht, mit Putzplänen und Verhaltensregeln (Bevor man sein Opfer beißt, immer Zeitungen auf dem Teppichboden auslegen!) etwas Ordnung in den chaotischen Haushalt der unsterblichen Junggesellen zu bringen.

Nick plappert alles aus

Eine vergebliche Liebesmüh, denn sowohl Vladislav (der zweite Teil des Regie-Duos: Jemaine Clement) als auch Deacon (Jonathan Brugh) sind klassische Vampire: verantwortungslos und hedonistisch. Als der 8000 Jahre alte Petyr, der aussieht wie Murnaus Nosferatu und seine Zeit in einem Steinsarg im Keller verbringt, den jungen Nick zum Vampir macht, kommt Bewegung in das sorgfältig organisierte WG-Leben: Denn der findet seinen post-menschlichen Zustand so aufregend, dass er überall damit angibt und die jahrhundertelang gepflegte Heimlichkeit der neuseeländischen Blutsauger bedroht.

Besonders neu oder revolutionär ist nichts an „5 Zimmer, Küche, Sarg“: Erst vor wenigen Jahren fertigte der Belgier Vincent Lannoo mit „Vampires“ (2010) eine zum Verwechseln ähnliche Mockumentary. Nur hatte die nicht den Vorteil, von zwei der mitunter witzigsten Menschen des Planeten geschrieben worden zu sein: Im Kiwi-Land sind Taika Waititi und Jemaine Clement längst Superstars. Kennengelernt haben sie sich auf der Uni. Gemeinsam mit Bret McKenzie, mit dem Clement die Comedy-Band „Flight of the Conchords“ gründete und die dazugehörige, kultisch verehrte HBO-Serie gleichen Namens entwickelte, und zwei anderen Spaßmachern formierten sie sich Mitte der Neunzigerjahre zur Truppe „So you're a man“: Bei ihren Auftritten lernten Waititi und Clement das Mockumentary-Handwerk, ihre Show war ein Faux-Männlichkeitsratgeber aus den Fünfzigerjahren.

Mit „5 Zimmer, Küche, Sarg“ perfektionieren sie jetzt ihr stilistisches Instrumentarium. Viele der besten Momente entstehen dann, wenn die vorgebliche Dokumentation nicht funktioniert und so zur „Mockumentary“ wird: Etwa wenn Viago bei einem Interview zu lange direkt in die Kamera blickt oder wenn Vladislavs Versuche, Opfer zu hypnotisieren, wiederholt scheitern. Waititi und Clement inszenieren ihren Film in einem nahezu perfekten dramaturgischen Fluss, einem komödiantischen Rhythmus, den sie wohl nicht zuletzt bei ihren Auftritten vor Publikum geprobt haben. Dabei hilft auch, dass die Regisseure ihre eigenen Hauptdarsteller sind: Sie wissen um ihre Blicke, ihre Gesten, ihre Ticks, ihre Besonderheiten und lassen sie für „5 Zimmer, Küche, Sarg“ arbeiten.

Fantastisches Kino aus Neuseeland

Selbiges gilt fürs Drehbuch: Taika Waititi und Jemaine Clement haben sich ihre Rollen auf den Leib geschrieben. Ersterer ein braver Spießer-Vampir, Letzterer ein grobschlächtiger Blutsauger, entwickeln die beiden eine großartige Chemie auf der Leinwand. Das kleine Neuseeland hat sich in den vergangenen 20, 30 Jahren überhaupt zu einer Zentralstelle für das fantastische Kino gemausert: Unvergessen sind etwa Peter Jacksons glorios-groteske Anfänge als Filmemacher. Zwischen 1987 und 1992 inszenierte der spätere „Herr der Ringe“- und „Hobbit“-Meister drei geschmacklose, respektlose Splatterarbeiten.

Der anarchische Selbstmach-Charme seines Erstlings „Bad Taste“ bleibt bis heute unerreicht, ebenso die Liter-Blut-pro-Filmminute-Quote von „Braindead“. Junge Neuseeländer wie Jonathan King, in dessen Horrorkomödie „Black Sheep“ die Millionen Schafe auf Neuseeland zu mordlüsternen Monstern werden, oder Gerard Johnstone („Housebound“) sind eindeutig beeinflusst von Jacksons Frühwerk.

„5 Zimmer, Küche, Sarg“ ist hingegen deutlich anders getaktet: Taika Waititi und Jemaine Clement verzichten in ihrem Film auf übermäßigen Aderlass, setzen stattdessen auf breitenwirksamen, dabei aber erstaunlich nuancierten Humor, der bei so ziemlich jeder Publikumsschicht gut ankommen dürfte. Außer bei Vampiren natürlich: Nach dem Film hat man nämlich keine Angst mehr vor ihnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2014)

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