Epos: Zwischen Farce und Abenteuer

Kidman und Jackman
Kidman und Jackman(c) EPA (ALESSIA PARADISI)
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„Australia“ mit Nicole Kidman war als Nationalepos geplant, ist aber nur historisch heuchlerisch.

Unlängst bei ihrem Auftritt in „Wetten, dass...?“ blies Nicole Kidman in ein Didgeridoo, was Frauen bei Australiens Ureinwohnern verboten ist. Weil sie deren Kultur beschmutzt habe, würde sie mit Unfruchtbarkeit bestraft, zitierten Medien daraufhin aufgebrachte Aborigines – aber die viel größere Frechheit stellt eigentlich der Film dar, zu dessen Promotion Kidman in der TV-Show war.

Als Kinonationalepos ist Australia konzipiert: Die Hauptrollen spielen die in Australien aufgewachsene Kidman und der Australier Hugh Jackman, für die Regie holte man den australischstämmigen Regisseur Baz Luhrmann. Den Großteil der 130Millionen Dollar (steuerbegünstigten) Produktionskosten hat das 20th-Century-Fox-Studio des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch ausgelegt, gut ein Drittel die Tourismusbehörde. Fusioniert ist eine Werbekampagne: Die Schauplätze des Films als Urlaubsattraktionen: von abenteuerlich („Great Outback Cattle Drive“) bis wildromantisch („The Kimberley is the Star of Australia“).

Kidman: Steif, lächerlich

Zwischen diesen Polen hat Luhrmann, der sich zuvor als Macher von hyperaktiv-synthetischen Musicals wie Moulin Rouge profilierte, wohl auch seinen uferlosen Zitatenbrei angelegt: Australia bietet 165Minuten Kino aus zweiter Hand zwischen Farce und Abenteuermelodram. Die Geschichte um eine britische Porzellanpuppen-Lady (mal steif, mal lächerlich: Kidman), die Anfang des Zweiten Weltkriegs eine Ranch erbt, sich mit einem Viehtreiber (Jackman) erst zankt, dann liebt, ist ein unbeholfenes Amalgam aus Epen von African Queen bis Vom Winde verweht. Ausgiebig zitiert wird auch der Musicalklassiker The Wizard of Oz – Oz ist der Spitzname für Australien: Das ist auch der Höhepunkt der intellektuellen Anstrengungen des Films.

Australia möchte als altmodische Unterhaltung gefallen, kommt aber wie die postmoderne Parodie der Großfilme von einst daher. Nebenbei will man sich einen neuen Nationalmythos zimmern: Im britischen „Guardian“ wurde unlängst eine lange Liste historischer Fehlleistungen des Films aufgezählt – bis zur japanischen Invasion, die so nie stattgefunden hat. Einer Kintopp-Schmonzette mag man mythische Schönfärberei zwar verzeihen wollen, auch wenn es angesichts der gnadenlosen Langeweile nicht leicht fällt: Das Möchtegernnationalepos kam nicht einmal in Australien gut an.

Aber die revisionistische Heuchlerei, die im Gefolge der Aborigines-Versöhnungspolitik der australischen Regierung praktiziert wird, ist untragbar: Der angebliche Antirassismus des Films verbirgt Geschichtslügen, und das nicht gut. Luhrmanns Kitschorgie schmückt sich schon im Vorspann, das große Unrecht von Australiens „gestohlenen Generationen“ (von ihren Familien zwangsentfernte Aborigine-Kinder) anzuprangern, macht eines der Opfer zur Hauptfigur. Aber dieses Aborigine-Kind ist nur da, um das weiße Heldenpaar zusammenzubringen und gerettet zu werden. Unterwürfig darf es sich dafür bei Kidman, „Mrs. Boss“, andienen. Dagegen scheint ein Didgeridoo-Missbrauch harmlos. hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2008)

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