„Am Sonntag bist du tot“: Ein Pater soll für die Kirche büßen

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Film. Angekündigte Rache für sexuellen Missbrauch: In „Am Sonntag bist du tot“, einer schwarzen Komödie aus Irland, brilliert Brendan Gleeson als Priester.

So beginnt keine gewöhnliche Beichte: „Ich war sieben, als ich zum ersten Mal Samen schmeckte.“ Und obwohl Pater James, erst recht in der Verkörperung durch den irischen Schauspieler Brendan Gleeson, die massige Statur eines Mannes besitzt, dem nichts Menschliches fremd ist, muss er an dieser Stelle konzedieren: „Das ist sicherlich ein überraschender Eröffnungssatz.“ Was folgt, ist die Ankündigung eines Rachemordes. Für all die Jahre des Missbrauchs durch einen inzwischen verstorbenen Priester will der unsichtbar bleibende Beichtende nun Pater James töten. Die Tatsache, dass seine Vergeltung einen Unschuldigen trifft, ja sogar einen, der als ehrlicher, treu sorgender Priester offensichtlich das Gegenteil des Täters darstellt, erklärt das einstige Opfer zur Quintessenz seines Vorhabens. Deshalb auch der Aufmerksamkeit heischende Termin: der nächste Sonntag.

Scharfzüngig und grotesk – warum „Am Sonntag bist du tot“ als Komödie bezeichnet wird, ergibt sich aus dieser Eröffnungssequenz genauso klar wie die notwendige Ergänzung, dass der angewandte Humor von jener tiefschwarzen Sorte ist, bei der das Lachen wie eine Heimsuchung passiert: eher ungewollt und mit Erschrecken verbunden. Dabei kann man sich kaum verkneifen, den Ort der Handlung, ein kleines Städtchen irgendwo an der irischen Küste, als idyllisch zu bezeichnen. Der Wind weht rau über die dauernasse und dadurch so farbenprächtige Landschaft. Einsamkeit und Exzentrizität scheinen als lokale Traditionen tiefer verwurzelt als die katholische Kirche.

Jedes Gemeindemitglied ist verdächtig

Ob Pater James seinen potenziellen Mörder erkannt hat oder nicht, lässt der Film in der Schwebe. Für den Zuschauer – zumindest für den, der die wahnhaft tiradisierende Stimme nicht gleich einem Schauspieler zuordnen kann –, wird jedes Gemeindemitglied, das der Priester in der Woche vor seinem Rendezvous mit dem Sensenmann trifft, zum möglichen Verdächtigen. Ist es der Fleischer (Chris O'Dowd), dessen Frau (Orla O'Rouke) offenbar eine Liaison mit einem anderen (Isaach de Bankolé) unterhält? Oder der von Schließung bedrohte Kneipenwirt (Pat Shortt)? Oder der an seinem Reichtum verzweifelnde Banker (Dylan Moran)? Der suizidgefährdete alte Schriftsteller (M. Emmet Walsh)? Oder doch der zynische Arzt (Aiden Gillan), der so kalt berichten kann, welche Erfahrungen ihn zum überzeugten Atheisten haben werden lassen?

Was sich nach einem allzu kalkulierten Handlungsfaden entlang eines Kuriositätenkabinetts anhören mag, entpuppt sich im Lauf des Films als wundersam facettenreich und eigentümlich bewegend. Vor allem ist das Brendan Gleeson zu verdanken, der nun endlich, mit 59 Jahren, sein Karrierehoch erreicht hat. Als blondmähniger, grobschlächtiger Charakterkopf lange Zeit festgenagelt auf die Rolle des, sagen wir, sechsten Mannes im dreckigen Dutzend, gehört er in der Tradition John Waynes zu der Sorte Darsteller, die man nie jung gesehen hat. Weshalb er heute um so urtypischer jene alterslose Männlichkeit bzw. Menschlichkeit verkörpern kann, mit der sich ein Gesamtpublikum identifiziert. Gleeson verleiht seiner Priesterfigur eine seltene Authentizität. Sein Pater James ist kein Idealist, der erst erfahren muss, dass die Kirche eine fehlbare Institution ist. Die Erfahrungen eines früheren Lebens, der Film deutet den Verlust einer Ehefrau und Alkoholismus an, haben ihn Skepsis gelehrt, sein Glaube aber wirkt – man kann es nicht anders sagen – glaubhaft.

Und so wird aus „Am Sonntag bist du tot“ eben doch mehr als nur eine sehr pfiffig geschriebene schwarze Komödie.
Was das Drehbuch als Bizarrerien eines von Missbrauchs- und Vertuschungsskandalen gebeutelten Lands aufs Korn nimmt, verwandelt Gleesons Präsenz in eine offene Frage danach, was den Menschen bleibt, wenn die Institutionen versagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2014)

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