„Birdman“: Ein Ex-Superheld will wieder fliegen

„Birdman“
„Birdman“(C) CentFox
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In der Oscar-nominierten Kino-Komödie schwingt sich Michael Keaton auf zu neuem Ruhm. Eine aufwendige Tour de Force.

In Shakespeares Komödie „Wie es euch gefällt“ beginnt ein Monolog mit den berühmten Zeilen: „Die ganze Welt ist Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler.“ Eigentlich überraschend, dass Alejandro González Iñárritu diesen Sinnspruch nicht als Epigraph an den Anfang seines neuen Films „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ gestellt hat, denn Subtilität ist seine Sache nie gewesen. Stattdessen fungiert ein kurzes Raymond-Carver-Gedicht als Leitsatz, der das große Thema dieses aufwendigen, aber im Kern kleinen Beinahe-Kammerspiels vorgibt: Wollen wir nicht alle geliebt werden?

„Birdman“ heißt die fiktionale Superhelden-Franchise, deren Zugpferd der alternde Mime Riggan Thomson (Michael Keaton) dereinst war. Jetzt bleiben die Aufträge aus, seine Karriere ist am Schlittern, der Verstand ebenso. In letzter Hoffnung auf einen Neustart stellt er die freie Adaption einer Carver-Kurzgeschichte als Broadway-Stück auf die Beine und besetzt sich selbst als Hauptfigur. Doch die Proben geraten zu einem psychischen Belastungstest für Thomson: Sein Ko-Star, der erfahrene und exzentrische Talentbolzen Mike (Edward Norton in einer lustvollen Selbstparodie), macht ihm mit aufsehenerregenden Spontanaktionen das Rampenlicht streitig, seine Tochter und Assistentin Sam (Emma Stone) ist nach der Reha in einer rebellischen Phase, und mit Ex-Frau und Freundin liegt auch einiges im Argen. Die Frage ist nur, was zuerst kommt: die Premiere oder der Nervenzusammenbruch.

Technisch ist „Birdman“ unleugbar eine Tour de Force. Die Besetzung, allen voran Michael Keaton als verzweifeltes Zentrum des chaotischen Treibens, legt sich mit vollem Eifer in die zugespitzten Rollen, aber das ganze Team muss ordentlich geschwitzt haben, um den reibungslosen Ablauf der komplexen Choreografien des Films zu gewährleisten. Dieser besteht nämlich größtenteils aus gedehnten Plansequenzen und täuscht mit Montagetricks den Eindruck einer nahezu durchgängigen Einstellung vor. Auch in Bezug auf die Farb- und Lichtdramaturgie hat Ausnahmekameramann Emmanuel Lubezki („Gravity“, „Tree of Life“) ganze Arbeit geleistet. Unklar bleibt, wozu: Die endlosen Fahrten hinter gehetzten Gestalten durch bläulich und rötlich schimmernde Treppenhäuser vermitteln eingangs vielleicht noch etwas von der angespannten Atmosphäre des Theaterbetriebs. Mit der Zeit beginnen sie aber als reine Effekte von der Erzählung abzulenken.

Die anrührendsten Momente sind die intimen Bekenntnisgespräche, in denen die Kamera nah an die Gesichter herangleitet und der nervös drängende Soundtrack des Jazz-Schlagzeugers Antonio Sánchez zur Ruhe kommt. Dann geht es um die Angst vor der Bedeutungslosigkeit und das Bedürfnis nach Zuneigung, die jeder als Komparse in der Komödie des Lebens verspürt.


Mehr Bescheidenheit, bitte.Doch Iñárritu fühlt sich bemüßigt, sämtliche Thesen seines Drehbuchs mehrfach zu unterstreichen und sie zu alles verknüpfenden Zeitgeist-Universalismen aufzubauschen. Wenn sich Thomsons Selbstzweifel etwa in Form seines kostümierten Alter Egos manifestieren, ergibt sich das noch einigermaßen aus der verzerrten Sichtweise der Figur, aber als er sich nach einer durchzechten Nacht zu einem halluzinierten Digitalflug durch New York aufschwingt, wünscht man sich etwas mehr Bescheidenheit von diesem Film über Ruhmeslust.

Wie auch immer man dazu stehen mag, eine Person profitiert auf alle Fälle von „Birdman“: Michael Keaton, der sich – ein Musterbeispiel für mediencleveres Konzeptcasting – als ehemaliger „Batman“ im Bekanntheitstief „selbst spielt“, wird bereits als Favorit für den Darsteller-Oscar gehandelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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