„Gruber geht“-Filmkritik: Und die Moral vom Bobo-Drama . . .

(c) Thimfilm/Petro Domenigg
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Regisseurin Marie Kreutzer legt ihre Verfilmung von Doris Knechts Bestseller „Gruber geht“ überraschend sanft an. Dadurch wirkt sie noch biederer als die Vorlage.

Gruber hat sich sein Leben bequem eingerichtet. In seiner Designerwohnung schaut er selbst aus der Dusche über Wiens Straßen, im Kühlschrank stapelt sich Champagner, und das Erbe des verstorbenen Vaters hat er in einen Porsche investiert. Selbst seinen Vornamen gestaltete er nach seinen Vorstellungen, hat das Johannes auf John zurechtgestutzt, das klingt doch gleich viel cooler. Spießer – wie etwa seine Schwester, dreifache Mutter mit Ferienhaus auf dem Land – widern ihn an. Gruber lebt gut, wäre da nicht dieser eingeschriebene Brief im blauen Kuvert, den er mit sich herumträgt. Absender: ein Krankenhaus. „Es gibt keine netten Briefe vom Krankenhaus“, weiß die Berlinerin Sarah, Grubers Aufriss auf einer Dienstreise nach Zürich. „Mach du ihn auf“, bittet er sie. Die nette Zufallsbekanntschaft behält recht, in Grubers Bauch wächst ein Tumor, und er soll sich doch schnellstens beim Krankenhaus melden. Die in Prozent gefasste Überlebensstatistik fällt zugunsten des Schnitters aus.

Im Angesicht des Todes soll aus dem Gruber ein Besserer werden, das ist das Grundmotiv von „Gruber geht“, der Verfilmung des gleichnamigen Romans der Kolumnistin Doris Knecht. Dank seiner initial unsympathischen Hauptfigur erweckt er anfangs den Eindruck, unkonventionell zu sein. Tatsächlich erscheint Knechts Antiheld lediglich als Zerrbild der Schicht, über die sie schreibt, der bürgerlich-konservativen bourgeoisen Bohemiens. Grubers Weltbild mag unangepasst wirken, seine Grundwerte ähneln denen seiner Schwester: Am Ende flüchtet auch er in die Familie.

Knechts reuiges Ekel, dem sein Leben entgleitet, ist das Beste an „Gruber geht“. Im Film wurde er geglättet. Grubers Porsche ist nicht aufdringlich rot wie im Roman, sondern edel schwarz, statt mit verwerflichem „Investmentscheiß“, wie es in der Vorlage heißt, verdient der heimliche Bob-Dylan-Fan sein Geld mit Werbung.

Hauptdarsteller Manuel Rubey legt die Figur sanft – zu sanft – an, mit ständigem Lächeln und weichem, nasalen Wienerisch. Jede Beleidigung klingt wie ein Witz. Dieser Gruber ist kein „richtiges Arschloch“, wie die von Doris Schretzmayer rollengerecht gespielte Schwester ihn nennt, höchstens ein Opfer seiner ausgeprägten Neurosen und ein zynischer Egoist, freilich nicht so manieriert wie Falco, den Rubey einmal dargestellt hat.

Der Wiener Schmäh kippt im Film oft ins Kalauerhafte – selbst bei den deutschen Figuren. „Du warst ja mit 14 so 14 wie jetzt“, sagt die eine Freundin zur anderen. Bringen Sie das einmal über die Lippen.

Die konservative Haltung der Geschichte findet sich auch in der Bildsprache wieder. Die Kamera (Leena Koppe) baut Nähe zur distanzierten Hauptfigur auf, zeigt die Bilder in seinem Kopf. Gruber träumt in Detailaufnahmen von einem Tattoo mit der Bitte „Protect me“, streichelnden Händen mit türkisblauen Fingernägeln und großen Frauenaugen.

Friedhof im Winter

Wenn Todesangst dargestellt werden soll, fällt dem Durchschnittsregisseur dazu ein: Friedhof. So wird – denkt man – Regisseurin Marie Kreutzer es nicht machen, in ihrem preisgekrönten Spielfilmerstling „Die Vaterlosen“ hat sie doch geschickt klassische Stereotype umschifft. In „Gruber geht“ wählt sie als Metapher für Grubers Todesangst das Klischee: Friedhof im Winter. Das enttäuscht.

Überraschendere Episoden wie eine Affäre Grubers mit einem Mann bleiben im luftleeren Raum hängen. Das ist nur konsequent, der Fluchtpunkt heißt schließlich Kleinfamilie und Bürgerlichkeit. Am Ende der Suche nach dem, was einem Leben Bedeutung gibt, stehen auch für ihn Liebe und Fortpflanzung. An der Moral von dieser G'schicht ist nichts Verwerfliches. Sie ist bloß ein bisschen vorhersehbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

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