„The Interview“: Krach, Klamauk und Kindskopf Kim

„The Interview“
„The Interview“(C) Sony
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Ohne die Terrordrohung an die Produktionsfirma Sony wäre „The Interview“ wohl nicht zum Politikum geworden: Seine Qualität als Satire auf Nordkorea hält sich in Grenzen.

Was hätte Kim Jong-il wohl zu „The Interview“ gesagt? Der ehemalige „geliebte Führer“ Nordkoreas und Vater des heutigen „obersten Führers“ Kim Jong-un war bekanntermaßen großer Filmfan. Seine besondere Vorliebe galt dem Hollywood-Kino: „Rambo“ und „Freitag der 13.“ zählten mutmaßlich zu den Kronjuwelen seiner umfangreichen DVD-Sammlung. Überdies zeichnete er verantwortlich für theoretische Schriften über Film- und Schauspielkunst, die eine Ästhetik in Einklang mit der nordkoreanischen Juche-Ideologie propagieren. In den Siebzigern ließ er zur sachgerechten Umsetzung seiner Ideen den südkoreanischen Regisseur Shin Sang-ok entführen, der im Zwangsexil sieben Filme drehte, darunter den kommunistischen „Godzilla“-Klon „Pulgasari“ – Komödien waren allerdings keine darunter.

Dass „The Interview“ von Evan Goldberg und Seth Rogen zu einem Politikum geworden wäre, hätte die Produktionsfirma Sony den Film nicht nach einer Terrordrohung anonymer Hacker zurückgezogen, ist unwahrscheinlich: Seine Qualität als Satire hält sich in Grenzen, und mit Säbelrasseln aus Nordkorea lockt man niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Nun prangt er dennoch als Talisman der Meinungsfreiheit in den Medien und heimst (unverdiente) Vergleiche mit Charlie Chaplins „Der große Diktator“ ein. Dabei hätte „The Interview“, wie seine Macher selbst eingeräumt haben, jede x-beliebige Diktatur zur Kulisse machen können, ohne viel am Plot zu ändern; aber Nordkoreas Sonderstatus als isolierter, mythenumrankter Schurkenstaat macht es zu einem leichten Opfer und ermöglicht eine wirkungsvolle Anbindung der Klamotte ans kollektive Imaginäre des Westens.

In erster Linie ist „The Interview“ ohnehin Pennäler-Klamauk. James Franco spielt den arroganten Showbiz-Zampano Dave Skylark, dessen Plaudersendung „Skylark Tonight“ (eine Parodie vergleichbarer US-Formate) mit intimen Promi-Bekenntnissen Quoten scheffelt: Bei ihm outet sich Eminem als schwul und Rob Lowe als Glatzkopf. Doch sein bester Freund und Produzent Aaron Rapaport (Seth Rogen als besonnene Kontrastfigur zu Francos Clownerie) strebt nach Höherem, und als Dave erfährt, dass Kim Jong-un höchstpersönlich zu seinen größten Fans zählt, ziehen die beiden ein Sensationsinterview in der Höhle des Löwen an Land, das ihre journalistische Seriosität ein für alle Mal zementieren soll. Da tritt die CIA auf den Plan: Sie will sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen und beauftragt das damische Duo mit einem Attentat.

Überlange Kalauerparade

Was folgt, ist eine durchwachsene und mit knapp zwei Stunden überlange Kalauerparade, die im Laufe der Zeit so ziemlich alles ausprobiert: breitgetretene Wortwitze, Slapstick und Situationskomik, Fremdschäm-Humor, selbstverständlich auch die dem „Bromance“-Genre (ein Kompositum aus „Brother“ und „Romance“) eigenen sexuellen Doppeldeutigkeiten im Geplänkel zwischen den Hauptfiguren. Für das überkandidelte Actionspektakel fährt der Film gar Panzer und Hubschrauber auf, und vor kunstblutüberströmten Splatter-Einlagen schreckt er auch nicht zurück. Bei dermaßen breit gefächerten Lachsalven ist Streuung unvermeidbar, und richtig zünden tut nur weniges. Wenn Aaron etwa ein wichtiges CIA-Paket akut rektal verstecken muss, kommt damit trotz minutenlanger Auswalzung nichts Schmunzelnswertes heraus. Umso mehr freut man sich über allseitig inspirierte Momente wie ein kurzes Hin und Her, in dem ein notgedrungener Kommunikationsversuch per Handzeichen an anzüglichen Fehlinterpretationen scheitert.

Als Schauplatz hat „The Interview“ vorwiegend die gigantische Privatfestung des fiktiven Kim (amüsant: Randall Park). Der Despot ist natürlich auch nur ein „Bro“, der nicht erwachsen werden will und heimlich Katy Perry hört, weil er sich in ihren Texten wiederfindet. Weil Dave und Kim sich auf Anhieb prächtig verstehen, will Ersterer seine Mordmission abbrechen, doch ein nächtlicher Ausflug in einen potemkinschen Supermarkt belehrt ihn eines Besseren. Indes hat sein Kompagnon mit einer hochrangigen Militärbeamtin angebandelt, die sich zur Desertion hinreißen lässt und einen Alternativplan vorschlägt: Statt des giftigen Handschlags sollte man dem Diktator eine Überdosis Wahrheit verabreichen, und zwar vor laufenden Kameras – nur so sei dem Personenkult dauerhaft beizukommen. Auf diese Weise gelangen die Boulevardreporter doch noch zu journalistischen Ehren, der Film schließt (lässt man den überzogenen Krach-Bumm-Endkampf außer Acht) mit einer humanistischen Aufklärungsbotschaft. Auf dem Pyongyang International Film Festival, das intermittierend auch ausländische Filme (in zensurierten Fassungen) zeigen darf, wird er voraussichtlich trotzdem nicht laufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2015)

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