"Cinderella" erstrahlt in Kitschblau

(c) Walt Disney Studios
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Shakespeare-Regisseur Kenneth Branagh verzichtet in der „Cinderella“-Neuverfilmung auf eine zeitgenössische Deutung. Cate Blanchett glänzt als böse Stiefmutter.

Die Farben sind alle ein wenig zu grell, um natürlich zu wirken. Das Blau der Vögel, das Grün der Wiesen, ja selbst die Zähne des Prinzen – strahlend weiß. Wie angemalt wirkt sie, die Welt, in der Ella – später als „Cinderella“ verspottet – lebt. Erst mit ihren Eltern. Dann mit ihrem Vater, ihrer Stiefmutter und ihren beiden Stiefschwestern. Schließlich mit ihrer Stieffamilie, missbraucht als Arbeitssklavin, bis ihr Prinz sie in sein Schloss mitnimmt.

Das Märchen – Grimms Aschenputtel oder die weniger brutale französische Variante Cendrillon (ohne Blut im Schuh) –, auf dem der Film basiert, erzählt auch von ökonomischer Not und familiären Abhängigkeitsverhältnissen. Zwar gilt Regisseur Kenneth Branagh als Shakespeare-Spezialist unter den Hollywood-Regisseuren und formte selbst aus dem Superhelden-Blockbuster „Thor“ (2011) ein Bruderdrama erster Güte. Doch bei „Cinderella“ verzichtet er auf intellektuelle oder realistische Deutung. Der Geldmangel der Familie ist nicht spürbar in dem Cottage am Rande des kleinen Königreiches, das aussieht wie aus einem Katalog für Gartenreisen nach Cornwall. Auch tritt Cinderella nicht als Heldin mit zeitgenössischen feministischen Idealen auf, wie es die jüngsten Märchenfilme vorgemacht haben. Überdeutlich tat dies „Merida – Legende der Highlands“ (im englischen Original „Brave“): Hier kämpft die Herrschertochter um ihre eigene Hand, weil sie nicht heiraten will. Hintergründiger und gelungener war „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ („Frozen“, 2013): Disneys erfolgreichster Animationsfilm stellte die Liebe zwischen zwei Schwestern über die zu einem Mann. Die Figuren aus „Frozen“ treten auch in einem charmanten Vorfilm zu „Cinderella“ namens „Fever“ auf.

Branaghs „Cinderella“ orientiert sich stärker am gleichnamigen Disney-Zeichentrickfilm von 1950, aus einer Zeit also, als die Hausfrau das weibliche Ideal war. Ohne ironischen Unterton kommt aber auch der neue Film nicht aus. Die gute Fee, leicht beschwipst dargestellt von Helena Bonham Carter, erzählt die Geschichte der vorteilhaften Liebesheirat mit unterschwelligem Witz.

Eine Aktualisierung erfährt am ehesten die Figur der bösen Stiefmutter. Drehbuchautor Chris Weitz legt ihr die Motive für die Schlechterbehandlung Cinderellas – Eifersucht, Zukunftsangst – gar in den Mund. Ohnehin sind die Bösewichtinnen die eigentlichen Stars jüngster Fantasyfilme. Charakterdarstellerinnen spielen die Hexen und Intrigrantinnen mit Vergnügen – und es ist ein Genuss, ihnen zuzusehen. Nach Meryl Streep („Into the Woods“), Angelina Jolie („Maleficent“) und der jüngst mit dem Oscar ausgezeichneten Julianne Moore („Seventh Son“) gibt Cate Blanchett nun die Widersacherin. Wenn sie als böse Stiefmutter einen Raum betritt, dann wie ein Stummfilmstar: streckt eine Hand in die Luft, eine Richtung Boden, verdreht den Hals und setzt ein künstliches Lächeln auf. Was für eine Diva!

Weibliche Angst vor Unabhängigkeit

Dass Lily James als Cinderella neben Blanchett nicht verblasst, imponiert. Zuletzt schüttelte die Britin die Adelsfamilie aus „Downton Abbey“ aus ihrer Starre; ähnlich lebhaft und lieb, ohne dümmlich zu wirken, legt sie ihre Cinderella an: Kein Duckmäuschen, aber sie will gefallen und zu Gefallen sein. Sie stellt sich ihrer Stiefmutter entgegen, flüchtet aber dann nur allzu gern in die Arme des Prinzen (Richard Madden aus „Game of Thrones“): Nicht umsonst nennt man die weibliche Angst vor Unabhängigkeit Cinderella-Komplex. „Sei mutig und freundlich“, der letzte Rat ihrer Mutter, wird ihr Mantra. Das englische „kind“ umfasst mehr: liebenswürdig, gütig. Qualitäten, die einer Königin zupasskommen könnten.

Die Ausstattung bezaubert: romantischer Pomp, überlebensgroße Retro-Architektur. Perfekt sind die Kostüme der Stiefschwestern – und natürlich Cinderellas Ballkleid. Ihr Gesicht verzückt sich, als es sich um sie legt. Schicht um Schicht um Schicht aus hellblauem Stoff. Kitsch, aber gut gemachter Kitsch: Wäre das märchenhafte Blau nur eine Nuance greller, es täte in den Augen weh.

Ab Donnerstag

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2015)

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