„Tomorrowland“: Die Zukunft war früher besser

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Walt Disney verwirklichte seine Utopie im Disneyland-Sektor „Tomorrowland“. Der Film „A World Beyond“ mit George Clooney lässt die alte Vorstellung wieder auferstehen.

Walt Disney war ein großer Träumer. „Many of the things that seem impossible now will become reality tomorrow“, sagte er einmal, und er glaubte fest daran: Im „Tomorrowland“, einem Bereich der vielen Disneyland-Vergnügungsparks, verwirklichte er seine Vision einer großartigen Zukunft, in der technologischer Fortschritt für ein besseres Leben sorgen würde. Einen Schritt weiter ging er mit dem Projekt Epcot, kurz für „Experimental Prototype Community of Tomorrow“: In der utopischen Modellstadt für 20.000 Einwohner sollte eine „Gesellschaft von morgen“ wohnen. Walt Disney starb, bevor die Stadt gebaut werden konnte, heute erinnert ein Themenpark auf dem Gelände der Disney World in Florida an seinen Plan.

Die Mitarbeiter des Imperiums, das Disney da bereits aufgebaut hatte, haben wohl nie ganz zu träumen aufgehört. Mit dem neuen Film „A World Beyond“ (der englische Titel „Tomorrowland“ macht die Verbindung noch deutlicher) entführen die Disney Studios unter der Ägide von Regisseur Brad Bird („Die Unglaublichen“) und dem „Lost“-Autor Damon Lindelof in ein komplexes „Was wäre wenn...“-Szenario: Was, wenn es diese utopische Welt, dieses mögliche Morgen, nicht nur als Kulisse für Achterbahnen, sondern wirklich gäbe? Was, wenn sie nur gut versteckt ist und wir sie finden müssten?

Passenderweise befindet sich einer der Eingänge in diese Welt inmitten einer Disney-Attraktion: 1964, bei der Weltausstellung in New York, betritt das Wunderkind Frank Walker die Themenfahrt „It's a small world“, die damals eröffnet wurde und heute Publikumsmagnet in vielen Vergnügungsparks ist. Das Boot führt Klein-Frank durch ein buntes Traumland mit singenden Puppen – doch da nimmt es eine Abzweigung, düst eine Schräge hinab, Frank fällt und fliegt und landet schließlich in einer Stadt, wie er noch nie eine gesehen hat, mit geschwungenen Glastürmen und schwebenden Straßenbahnen und vertikalen Gärten, voll schöner, glücklicher Menschen in schnittigen Kostümen. Das ist also die Zukunft!

Keine Utopie für das Fußvolk

Doch wir schwenken in die Gegenwart, und es wird klar: Die Zukunft war früher besser. Vom Optimismus früherer Jahrzehnte ist wenig übrig. Aus dem erfinderischen Frank ist ein zynischer Grantler (George Clooney) geworden, der abgeschottet in seinem Waldhaus lebt. Die vife Schülerin Casey Newton (Britt Robertson) bekommt in der Schule nur vom baldigen Weltuntergang durch Überschwemmungen und Nuklearkatastrophen zu hören. Eines Tages findet sie einen Anstecker, der sie bei Berührung in die alte Vorstellung vom Morgen versetzt. Hier beginnt der abenteuerliche Teil des Films: Der Teenager und Frank ziehen gemeinsam mit dem Robotermädchen Athena (Raffey Cassidy) los, um Tomorrowland wiederzuerwecken und somit eine Welt zu retten, die selbst von ihrem Gouverneur (Hugh Laurie) bereits aufgegeben wurde.

Hierbei erfährt man auch einiges über Disneys Vorstellung der Zukunft, und die hat einen Haken: Erdacht und erbaut von großen Denkern und Künstlern (genannt werden etwa Jules Verne und Thomas Edison), soll Tomorrowland auch eine Stadt für Eliten sein. Das Fußvolk lässt man lieber nicht hinein, man hat ja gesehen, was es mit dem Planeten Erde angestellt hat. Die Menschheit wird in dieser schwarz-weißen Denkweise geteilt in eine kleine Truppe von Träumern, die zu Großem fähig sind, und in die restliche, destruktive Masse.

Diesen Dualismus aufzuheben, daran scheitert der Film: Es sind stets die wenigen Auserwählten, die die Macht haben, die Welt zu verändern. Dass ein Anstecker in der Optik eines Autodrom-Jetons den Eintritt in diese tolle Welt erlaubt, macht „A World Beyond“ umso mehr zu einer Disneyland-Werbung in Spielfilmlänge. Freilich zu einer äußerst gut gemachten, packenden Werbung, in der gegen Killerroboter gekämpft wird und der Eiffelturm sich zweiteilt, um eine goldene Rakete aus seiner Mitte abzuschießen. Die Botschaft: Man darf die Hoffnung an das Gute nie aufgeben, sonst hat man schon verloren. Walt Disney wäre wohl stolz auf seine Mitarbeiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2015)

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