„Die Frau in Gold“: Klimts goldene Adele als Kino-Saga

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„Die Frau in Gold“ von Simon Curtis mit Helen Mirren und Ryan Reynolds gefällt, irritiert aber auch. Der spektakuläre Restitutionsfall wurde vereinfacht, auch verfälscht.

Fact and Fiction: Wie stark dürfen Fakten für eine Geschichte verändert werden? Und wie ist das bei der „Frau in Gold“ von Simon Curtis? Der Film hatte bei der Berlinale Premiere und kommt nun ins Kino. Curtis (55), britischer Regisseur und Produzent, vor allem am Theater tätig, hatte zuletzt mit „My Week with Marilyn“, einer einfühlsam erzählten Episode aus dem Leben der Monroe, sein spätes Kino-Debüt.

„Die Frau in Gold“ ist diesem Film in gewisser Weise ähnlich: nicht wirklich wahr, aber gut erfunden. Lebendig gelang die Beleuchtung der Familiengeschichte der Bloch-Bauers, etwas schematisch sind die Aufnahmen aus der NS-Zeit, irritierend sind die Verkürzungen und Verfälschungen von Fakten, vor allem: Es war der Journalist und Verleger Hubertus Czernin (1956–2006), der mit seinen Recherchen den Fall ins Rollen brachte, und nicht US-Anwalt E. Randol Schoenberg, Enkel des Komponisten Arnold Schoenberg.

„Die Frau in Gold“ wirkt dennoch spannend erzählt. Österreichs teils peinliche Rolle bei der Causa wird einigermaßen fair abgehandelt. Wer die Sache erlebt hat, z. B. als Journalist, erinnert sich an unsachliche bis haarsträubende Argumente gegen die Restitution – die allerdings, auch das zeigt der Film, eine juristische Gratwanderung war, bei der es viele Klippen gab. Moralisch betrachtet stand fest: Die Bilder aus dem Belvedere müssen Maria Altmann, der Nichte von Adele Bloch-Bauer, zurückgegeben werden. Das Testament Adeles wurde zwar viel zitiert, interpretiert, aber es war klar, dass sie anders entschieden hätte, und auch ihr Mann, der Zuckerindustrielle Ferdinand Bloch-Bauer, hätten die beiden den Holocaust und das NS-Regime vorausgesehen.

Am ehesten wird den Film schätzen, wer die künstlerische Freiheit als wichtig bei der Erzählung von Geschichten ansieht. Helen Mirren als Maria Altmann und Ryan Reynolds als Anwalt Schoenberg gestalten ein feines Kammerspiel: Die Boutiquen-Besitzerin Maria Altmann will sich an ihre schreckliche Flucht vor den Nazis aus Wien nicht mehr erinnern. Doch als ihre Schwester Luise stirbt und deren Nachlass sich in Altmanns Haus türmt, überfällt Maria die Vergangenheit. Mirren zeigt zwar, seitdem sie die „Queen“ (Elizabeth II.) gab, immer wieder Facetten dieser kühlen, unerschütterlichen Frau, aber diese Eigenschaften kommen auch Maria Altmann zugute: Mirren wirkt klug, eloquent und imposant.

Als Ronald Lauder, der die „Goldene Adele“ für seine Neue Galerie in New York erwerben will, Altmann vorschlägt, einen erfahreneren Anwalt als Schoenberg zu nehmen, schlägt die alte Dame dieses Angebot aus. Reynolds als Schoenberg, der mit einer eigenen Kanzlei gescheitert ist und gerade einen Job bei einer renommierten Advokaten-Sozietät angetreten hat, denkt zuerst an die Einkünfte, die ihm der Adele-Deal bringen kann, in Wien erkennt er die historische Bedeutung der Rückgabe der fünf Klimts aus dem Belvedere. Katie Holmes spielt Schoenbergs schwangere Frau Pam, die sich anfangs dagegen auflehnt, dass ihr Mann für einen zunächst aussichtslos erscheinenden Fall seinen Job riskiert – aber als typisch amerikanisches Paar beschließen die beiden letztlich an einem Strang zu ziehen.

Kräftiger Verriss in „Variety“

Daniel Brühl (der u. a. 2013 als Niki Lauda in dessen Bio-Pic „Rush“ überzeugte) wirkt als Hubertus Czernin weniger eindrucksvoll als das Original. Auch Sektionschef Rudolf Wran und die energische Ministerin Elisabeth Gehrer erscheinen im Film wie blasse Zaungäste am Rande des Geschehens. Wer war die echte Adele Bloch-Bauer? Die echte Maria Altmann (1916–2011) beschrieb sie als „leidend, immer mit Kopfweh, rauchend wie ein Schlot, furchtbar zart und dunkel. Ein durchgeistigtes Gesicht, süffisant, elegant.“

Diese Charakterisierung passt wohl besser zu einer Dame des Fin de Siècle, die in einem komplexen Identitätsumbruch steckt, als die brave Film-Adele (Antje Traue), die ihre Nichte Maria wie eine ältere Schwester umsorgt – und nicht mit dem dämonischen Klimt flirtet: In der ersten Szene des Film sieht man Maler und Modell beim Adele-Malen vertraut, aber dezent plaudern.

Wer mehr über die Causa wissen will, ist gewiss mit Dokumentationen, die teilweise in voller Länge auf YouTube zu sehen sind, besser bedient als mit dieser Mainstream-Geschichte, die auf den ausgetretenen Pfaden des Formats „David besiegt Goliath“ wandelt. In den letzten Tagen haben sich teils zurecht empörte Experten zur Verfälschung und Verkürzung von Fakten bei der Darstellung des Adele-Deals zu Wort gemeldet. Die US-Zeitschrift „Variety“ prügelte den Film: undifferenziert, vorhersehbar. Kein Meisterwerk. Die Österreicher würden als Monster verunglimpft, die Kunst stehlen, die Rolle des Geldes sei albern verfremdet.

„Die Frau in Gold“ ist trotz aller Einwände ein ansehnlicher Film, vor allem weil er ein diffiziles Thema für jeden verständlich aufbereitet. Dass Curtis an Gefühle appelliert und nicht eine weitere der häufig haarspalterischen Rechtsmeinungen zu dem Fall entwickelt, ist als Vorteil zu betrachten. Ferner erinnert „Die Frau in Gold“ viele Menschen an einen wichtigen Moment in der (österreichischen) Geschichte, was als Verdienst seiner Macher durchaus zu würdigen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

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