Tom Cruise bleibt noch das Weltall

Digitale Effekte? Echte Stunts! Tom Cruise in „Mission: Impossible – Rogue Nation“.
Digitale Effekte? Echte Stunts! Tom Cruise in „Mission: Impossible – Rogue Nation“.2015 PARAMOUNT PICTURES
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.Auch im fünften Teil von „Mission: Impossible“ steht die Waghalsigkeit der Hauptfigur im Zentrum. Doch all der Action in „Rogue Nation“ fehlt ein stilistisches Profil.

No risk, no fun. So könnte der Slogan jedes Teils von „Mission: Impossible“ lauten. Oder, frei nach Daft Punk: Härter, besser, schneller, stärker. Spätestens seit Episode zwei gehört die Filmreihe nur noch sekundär dem Genre des Agententhrillers an; ihre Hauptmission besteht darin, dem Grenzgänger Tom Cruise eine Plattform zu bieten. Jeder Film wirbt mit einem neuen Husarenritt des rüstigen Weltstars. Er hangelte sich Felswände entlang, joggte über die Glasfronten des Burj Khalifa, für den fünften Teil ließ er sich an die Seitenwand eines wuchtigen Airbus-Transporters heften und in schwindelerregende Höhen hieven.

Die ostentative (sprich: selbstverliebte) Ausstellung seiner Waghalsigkeit wurde dem mittlerweile 53-Jährigen oft vorgeworfen, aber der Zuspruch des Publikums ist nachvollziehbar. In Zeiten, in denen digitale Effektorgien zum Standardrepertoire jedes Blockbusters gehören, werden echte, riskante Stunts erneut zum Verkaufsargument. Zudem ist Cruise als scheinbar altersloser Überflieger und Siegertyp mit gewinnendem Lächeln die Verkörperung zeitgenössischer Hochleistungs- und Selbstoptimierungsideale: immer auf der Jagd nach der nächsten Herausforderung, ein Mann, der sich nicht schont und das Wort „unmöglich“ nicht kennt.

Sogar für den CIA-Chef zu geheim

Für „Mission: Impossible – Rogue Nation“ schlüpft er wieder in die Rolle des Superagenten Ethan Hunt, dessen Arbeit im Auftrag des Geheimdiensts IMF („Impossible Mission Force“) so geheim ist, dass sie selbst dem CIA-Chef (Alec Baldwin) unheimlich wird. Dieser setzt zu Beginn des Films vor einem Untersuchungsausschuss die Auflösung des IMF durch. Die Warnungen des Analysten William Brandt (Jeremy Renner) vor dem „Syndikat“ – einem internationalen Terrornetzwerk, dessen Existenz bislang niemand beweisen konnte – tut er als erdachten Legitimationsgrund ab. Also muss sich Hunt mal wieder auf eigene Faust durchschlagen, heimliche Unterstützung gibt es nur von seinen Hacker-Helfern Benji und Luther (bewährt humorvoll: Simon Pegg und Ving Rhames) sowie einer undurchsichtigen Femme fatale (Rebecca Ferguson).

Auf der Bühne: „Turandot“

Die Suche nach den Wurzeln des Bösen führt nach London, Casablanca – und Wien. Dort dient die Staatsoper als Schauplatz für das beste Spannungsstück des Films, als Hunt versucht, einen Anschlag auf den österreichischen Bundeskanzler (!) zu vereiteln. Während auf der Bühne Arien aus „Turandot“ dröhnen, entspinnt sich im Bühnentechnik-Labyrinth ein Versteckspiel mit den Attentätern, das die wirre Topografie des Backstage-Bereichs mit seinen überlappenden Schnürböden und Arbeitsgalerien gut nutzt und herrlich altmodische Details enthält. (Wie schmuggelt man ein Scharfschützengewehr in die Oper? Als Querflöte!) Beeindruckend auch eine Verfolgungsjagd durch Marokko: erst im Auto, dann auf Motorrädern über den Highway, gedreht mit Spezialkameras zur Maximierung des Geschwindigkeitsgefühls.

Dennoch schafft es Regisseur Christopher McQuarrie nicht, der Action ein stilistisches Profil zu geben. Bisher war „Mission: Impossible“ eine der wenigen Franchise-Serien, deren Einzelexemplare stets eine persönliche Regie-Note trugen. Brian De Palmas resoluter Einstand war ein typisch selbstreferenzieller Paranoiathriller mit Hitchcock-Touch, John Woo ließ Tauben und Kugeln durch melodramatische Zeitlupenaufnahmen fliegen, Serienveteran J. J. Abrams versuchte (vergeblich), der Hauptfigur Tiefe zu verleihen, und Brad Bird übertrug die Verspieltheit seiner Werke für Pixar erfolgreich in einen Realfilmkontext. McQuarrie hat sich schon beim Cruise-Vehikel „Jack Reacher“ als solider Handwerker bewiesen, aber seiner Inszenierung fehlt Charakter, zudem verzettelt er sich im Wirrwarr seines eigenen Drehbuchs.

Besonders deutlich wird das bei der für die Reihe obligatorischen Einbruchssequenz: An deren Anfang steht wie immer ein Durchexerzieren im Team, das sich diesmal weitaus länger anfühlt als der Einbruch selbst, und dieser entwickelt als seltsames Hybrid aus Computeranimation und Unterwasseraufnahme keine wirkliche Dynamik.

Zum Ende hin nähert sich „Rogue Nation“ überdies unangenehm der brütenden Schwere und fragwürdigen Ideologie jüngerer „Bond“-Filme. Dann liefert sich Hunt im Namen der Staatsräson öde Mentalduelle mit einem skrupellosen Systemverächter (Sean Harris spielt, als wäre der phlegmatische Cartoon-Hund Droopy zum Bösewicht mutiert), und man beginnt sich zu fragen, ob sich IMF auf NSA reimt; Die Selbstverständlichkeit, mit der globale Totalüberwachung und zügellose Geheimdienstarbeit unhinterfragt in die Textur des Films eingehen und zelebriert werden, stimmt gerade deshalb nachdenklich, weil es sich um „bloße Unterhaltung“ handelt.

Aber ein gewisses Maß an Unschuld (und Albernheit) hat sich „Rogue Nation“ im Vergleich zu den neuen „Bonds“ bewahrt, dafür sorgt ironischerweise gerade die Stunt- und Spektakelsucht des Hauptdarstellers. Der nächste Teil soll bereits in Planung sein. Um seine Airbus-Nummer zu übertrumpfen, müsste sich Cruise eigentlich in den Weltraum schießen lassen. Absurd? Vielleicht. Unmöglich? Keinesfalls.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2015)

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