„Fantastic Four“: Die Helden haben ihre letzte Chance verspielt

(c) Constantin Film
  • Drucken

Tim Storys halb gare Verfilmungen der „Fantastischen Vier“ 2005 und 2007 sind gescheitert, Josh Trank macht es 2015 auch nicht besser: Er spult im lieblosen Schnelldurchlauf das gängige Spektakelprogramm ab.

Ohne die „Fantastischen Vier“ würde es das multimediale Marvel-Imperium in seiner heutigen Form vermutlich nicht geben. Autor Stan Lee und Zeichner Jack Kirby, zwei Gründerväter moderner Comic-Kultur, erprobten Anfang der 1960er mit den frühen Abenteuern des Superhelden-Quartetts erstmals das Erzählmodell, das später zum Markenzeichen des Marvel-Verlags werden sollte: die Verbindung von Über- mit Allzumenschlichem. Das Ding, die Fackel, die Unsichtbare und Mr. Fantastic – das waren nicht nur übernatürlich begabte Kämpfer für das Gute, sondern auch Freunde, Verwandte und Lebenspartner; eine kleine Patchworkfamilie, die sich in gefährlicher Weltrettungsmission auch bisweilen wegen Nichtigkeiten zanken konnte.

Dank dieser glaubhaften Charakterdynamik, prägnanter, persönlichkeitsspiegelnder Fähigkeiten und oft ziemlich abgedrehter Science-Fantasy-Eskapaden hält sich das Team mit den blauen Trikots gut im Bewusstsein der Popkultur. Die bisherigen Versuche, es ins Kino zu bringen, gelten indes als gescheitert. Tim Storys halb gare Filmfassungen aus den Jahren 2005 und 2007 fielen bei der Kritik und zuletzt auch beim Publikum durch, doch die Devise Hollywoods ist bekannt: Sag niemals nie, wenn es um ein Franchise geht, gemolken wird bis zum letzten Tropfen.

Verordnete Qualitätsnivellierung

Also erhielten die „Fantastic Four“ heuer noch eine Chance, mit neuer Besetzung, neuem Konzept und neuem Regisseur. Doch auch diese Iteration des Stoffes ist nach einem enttäuschenden US-Start drauf und dran, kritisch und kommerziell in ein fantastisches Fiasko zu münden. Es überrascht nicht: Selten sah man die Narben studioverordneter Qualitätsnivellierung so deutlich wie hier.

Dabei weckt die erste Hälfte des Films durchaus Hoffnungen, dass es diesmal klappen könnte. Die Entstehungsgeschichte orientiert sich an einer verjüngten Comic-Version der Heldentruppe und der Film nimmt sich genug Zeit für die Einführung seines Figurenensembles. Das nerdige Wunderkind Reed Richards und sein Freund Ben Grimm basteln in der Garage an einem Teleporter aus Nintendo-Controllern und Autoschrott, einige Jahre später präsentieren die nunmehrigen Teenager (gespielt von „Whiplash“-Star Miles Teller und Jamie Bell) dessen Prototyp bei einem Schulwettbewerb. Die Preisrichter nehmen sie nicht ernst, dafür aber Dr. Franklin Storm (Serienveteran Reg E. Cathey), der Reed für ein geheimes Regierungsprojekt rekrutiert. Zusammen mit Storms nicht minder begabten Kindern – der frostigen Sue (Kate Mara) und dem rebellischen Johnny (Michael B. Jordan, bekannt aus dem Indie-Hit „Fruitvale Station“) – soll er transdimensionale Reisen möglich machen. Widerwillige Unterstützung erhalten die jungen Kapazunder vom sauertöpfisch-narzisstischen Computergenie Victor Von Doom (Toby Kebbell).

Der erste Testlauf mit den Forschern und Reeds Jugendfreund geht schief: Zum einen hatten sowjetische Kosmonautenfilme überzeugendere Spezialeffekte als die hier gebotenen, zum anderen kommt es bei der Rückkehr aus der Parallelwelt zu Komplikationen – Victor bleibt zurück, der Rest der Gruppe findet sich verändert wieder.

Die Szenen, in denen die schockierten vier ihrer absonderlichen Transformationen gewahr werden, grenzen an Körperhorror: grotesk gedehnte Gliedmaßen, ein sich windendes Flammenbündel, ein menschlicher Schutthaufen. Es ist eine ungewohnt skeptische Inszenierung der zumeist triumphalen Metamorphosen im Superheldenkino, durchzogen von Ekel, Zweifel und Angst. Hier spürt man einen Augenblick, was dieser Film hätte werden können, doch ein abrupter Zeitsprung macht kurzen Prozess mit der Normabweichung.

Vergeudetes Schauspieltalent

Der letzte Akt wirkt, als wäre er selbst auf dem Weg durch unwirtliche Produktionsdimensionen entstellt worden: Anstatt die etablierten Figuren weiter auszubauen, wird im lieblosen Schnelldurchlauf das gängige Spektakelprogramm abgespult. Der verschollen geglaubte Victor erhebt sich als grünlich schimmernder Bösewicht Dr. Doom aus der Versenkung und initiiert eine abstruse Weltvernichtungsaktion, die zwischenzeitlich zerstrittenen Heroen raufen sich schnurstracks zusammen und legen ihm das Handwerk mit infantilen Teamgeistparolen und einer weiteren Wagenladung hässlicher Digitaleffekte – dramaturgisch bewegt sich das Finale auf dem Niveau eines Samstagmorgen-Cartoons.

Es ist eine bedauerliche Vergeudung ansehnlicher Mittel: Das Potenzial der talentierten Jungdarsteller bleibt ungenutzt, und Regisseur Josh Trank – dessen Debüt „Chronicle“ als vergleichbares Narrativ im Kleinmaßstab wesentlich effektiver war – konnte seine Vorstellung eines gelungenen Reboots offenkundig nicht durchsetzen; in einem inzwischen gelöschten Tweet distanzierte er sich vom Endprodukt. Die Dreharbeiten fanden unter Zeitdruck statt, auch weil 20th Century Fox den Rückfall der „Fantastic Four“-Rechte an Marvel verhindern wollte.

Ironischerweise gab es bereits eine ähnliche Situation: 1994 beauftragte der deutsche Produzent und damalige Rechteinhaber Bernd Eichinger den Low-Budget-Meister Roger Corman aus denselben Gründen mit der Anfertigung eines FF-Films zum Dumpingpreis, der zwar nie das Licht der Leinwand erblickte, aber dank Videokopien Kultstatus erlangte. Bei all seiner Billigkeit hat er nämlich das, was der aktuellen Adaption abhandengekommen ist: Herz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.