"Trainwreck": Eine (fast) unanständige Frau

Dating Queen
Dating QueenUPI
  • Drucken

„Trainwreck“ heißt auf Deutsch „Dating Queen“. Klingt dümmlich, ist aber eine rüde, zugleich charmante Komödie mit Amy Schumer. Sie gilt als neuer weiblicher US-Comedy-Star.

Achtung! Der Kinobesuch kann angesichts absurder deutscher Titel zu einem kleinen Vabanquespiel werden. So ist die Komödie „Forgetting Sarah Marshall“ hierzulande unter dem dämlichen Namen „Nie mehr Sex mit der Ex“ bekannt. Russell Brands interkontinentaler Husarenritt „Get Him to the Greek“ – was direkt auf den aberwitzigen Plot anspielt – wurde zum banalen „Männertrip“, darunter stellt man sich eher einen Matthias-Schweighöfer-Film vor oder vor Geschlechterklischees strotzende Fernsehkost auf Privatsendern.

„Dating Queen“, der heute in den Kinos anläuft, suggeriert wohl auch ähnlich verzichtbare Unterhaltung. Man sollte dem Film aber eine Chance geben, verbirgt sich dahinter doch Judd Apatow, der Maestro des neuen US-Komödienkinos. Seit rund zehn Jahren erzählt er die etwas anderen Alltagsgeschichten, ob über eine alte, männliche Jungfrau mit beachtlicher Actionfigur-Sammlung, einen antriebslosen Betreiber einer Porno-Internetseite oder einen 40-jährigen Plattenlabel-Chef in der Sinnkrise. „Trainwreck“, seine neueste Regiearbeit, ist zugleich der Mainstream-Durchbruch für die Stand-up-Komikerin Amy Schumer. Als trinkfreudige und beziehungsunfähige New Yorker Klatschblatt-Reporterin Amy lässt sie nichts aus. Ihr Liebesleben ist eine endlose Folge von Betthupferln mit physisch makellosen Männern. Nähe und Geborgenheit braucht sie nicht. Nach jedem vollzogenen Akt verlässt sie die Liebesstätte. Das kommt nicht von ungefähr: Ihr Vater trichterte bereits der neunjährigen Amy das Mantra „Monogamy isn't realistic“ ein und erklärte ihr die Unmöglichkeit ewiger Treue damit, dass man ja auch nicht immer mit derselben Puppe spiele. (Was die äußerst unterhaltsame Anfangsszene des Films ist.) Nach einer beendeten Pseudobeziehung begegnet sie dem erfolgreichen Sportarzt Aaron (Komiker Bill Hader, wie Schumer eine Idealbesetzung), den sie porträtieren soll. Schnell entwickeln die beiden höchst unterschiedlichen Charaktere eine starke Zuneigung zueinander. Doch Amy fällt nicht wie Bridget Jones mit kalorienreichen Süßigkeiten in die verbeulte Couch, sondern in gewohnte Verhaltensmuster zurück...

Siegeszug der Komikerinnen

Der Erfolg des Films „Bridesmaids“ (Produzent: Judd Apatow), als weibliche Version der rüden Junggesellen-Klamotte „Hangover“ vermarktet, hat Hollywood gezeigt, dass Frauen genauso kinotauglich witzig sein können wie Männer. Eine späte, aber richtige Erkenntnis. Während sich das kreative Potenzial der alternden Kino-Kindsköpfe Adam Sandler oder Kevin James als beschränkt erweist, treten talentierte Komikerinnen ins Rampenlicht. Bestes Beispiel: die 34-jährige Amy Schumer. Privat engagiert sich sie für ein restriktives Waffengesetz, beruflich ist sie – ähnlich wie ihr Kollege Louis C.K. – politisch unkorrekt. Sie steht für „filthy humor“, also dreckigen und sexuell geprägten Humor. Mit ihrer Serie „Inside Amy Schumer“ hat sie sich in Nordamerika eine beachtliche Fangemeinde geschaffen. Ob sie mit „Trainwreck“, für den sie auch das Drehbuch geschrieben hat, auch in nicht englischsprachigen Ländern Europas ankommt, wird sich weisen. Sie konterkariert jedenfalls gekonnt den Geschlechtern zugeschriebene Verhaltensmuster. Neben dem sozialen Gender-Bending unterhalten auch popkulturelle Anspielungen: So wird die Periode (nach einem verbalen Rülpser von Donald Trump derzeit ein Twitter-Trend) zum „Tampon-Red-Wedding“ (Serienfans kennen die denkwürdig blutige Szene aus „Game of Thrones“).

Mit über zwei Stunden ist der fabelhaft besetzte „Trainwreck“ (u.a. die optisch kaum wieder zu erkennende Tilda Swinton als Amys Vorgesetzte) deutlich länger als Komödien-Mitbewerber. Apatow lässt seiner strauchelnden Antiheldin Zeit, das war bei den Protagonisten seines unterschätzten Midlife-Crisis-Films „This is 40“ nicht anders. Auch in seinem neuen Werk offeriert er dem Publikum mehrere Lebensmodelle, wenngleich sich trotz aller Friktionen und temporärer Zerwürfnisse die Zweisamkeit und Kernfamilie als Optimum erweisen. Optimal wäre übrigens auch der Kinobesuch in englischer Originalfassung. Oder wollen Sie etwa ein Tête-à-tête mit Amy, der „Dating Queen“?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.