"Codename U.N.C.L.E.": Verfolgungsjagd wie im Werbeclip

Codename U.N.C.L.E.
Codename U.N.C.L.E.Warner Bros. Entertainment Inc
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„Codename U.N.C.L.E.“ ist unnötig komplex und um dekorative Effekte bemüht – und dank unwiderstehlicher Dynamik und eines tollen Soundtracks dennoch Guy Ritchies bisher bester Film.

Mit Lässigkeit kennt sich der britische Regisseur Guy Ritchie aus. In seinen unerträglich coolen Gauner-Komödien „Bube, Dame, König, grAS“ (1998) und „Snatch – Schweine und Diamanten“ (2000) wilderte der Werbeclip-geeichte Ästhet erfolgreich im Tarantino-Universum: böse Buben und Mädchen im postpubertären Wachtraum unendlicher Lässigkeit.

Mit seinem jüngsten Projekt greift Guy Ritchie weit zurück in die Vergangenheit, wenn man so will, direkt hin zur Wurzel des modernen Agentenfilm-Genres. „Codename U.N.C.L.E.“, auch bekannt als „Solo für U.N.C.L.E.“, fegte Mitte der Sechziger die amerikanischen Straßen leer: Alle wollten dabei sein, wenn dieser Fernsehschirm-Bond, ersonnen von Ian Fleming höchstselbst, sich mit einer weltumspannenden, nach Allherrschaft greifenden kriminellen Super-Organisation anlegt. Trotz seines Namens arbeitete Napoleon Solo nur in den frühen Episoden allein: Dann fand der dandyhafte Frauenheld im reservierten sowjetischen Agenten Illya Kuryakin einen Partner als Reibebaum – das auch noch in einer der wärmsten Phasen des Kalten Kriegs.

Pingpong-Dialoge

Die unwiderstehliche, durchaus an die Schnellfeuer-Dialoge aus Screwball-Komödien erinnernde, Pingpong-Dynamik zwischen den beiden Männern übernimmt Guy Ritchie jetzt auch für seine Kino-Fassung. „Codename U.N.C.L.E.“ wirkt in den andauernden Scharmützeln zwischen den Agenten dabei wahlverwandt zu den zwei „Sherlock Holmes“-Filmen des Regisseurs. Statt Robert Downey Jr. und Jude Law necken sich Henry Cavill (als Solo) und Armie Hammer (als Kuryakin): Zwischen ihnen steht die schöne Schwedin Alicia Vikander, in ihrer Rolle als Tochter eines deutschen Nazi-Wissenschaftlers eher überfordert und daher, wie so vieles andere in diesem eitlen Projekt auch, vor allem um dekorative Effekte bemüht.

Das reicht allerdings, um den vergnüglichen Schein des Films zu wahren. Denn sollte einem aufgrund der ausgesprochen unelegant geschriebenen, unnötig komplexen Geschichte die Lust auf Agenten-Tümelei verlassen, dann kann man sich an den penibel recherchierten, zeithistorisch wertvollen Kleidungsstücken und Einrichtungsgegenständen ergötzen. Die Leere dahinter ist zeitweise schwer auszuhalten: Guy Ritchie lenkt davon ab, indem er lässige Verfolgungsjagden inszeniert und seinen grellen Figuren schöne Sätze wie diesen auf den Leib schreibt: „Inside every Kraut there's an American trying to come out.“ Schmunzeln soll man also durchaus in diesem Film, der sich allerdings dezidiert nicht als Parodie verstanden wissen will, sondern als Leinwand gewordener Emulator eben jenes Sechziger-Agentenschicks, den Ritchie mit seinem talentierten Kameramann John Mathieson fast schon manisch beschwört. Den Bildern haftet trotz aller Buntheit etwas Steriles an: Nichts daran erscheint als eingelebte Welt, wie die Figuren selbst sind es Designs, die im besten Fall interagieren, im schlimmsten einfach bedeutungslos vor dem Zuschauerauge zum Liegen kommen.

Mitreißend ist „Codename U.N.C.L.E.“ aufgrund von zwei Ausnahmeleistungen: James Herberts dynamischer Schnitt kommt im Besonderen während der großen Action-Sequenzen zum Tragen, gefällt aber auch sonst durch gelungenes Stil-Recycling, etwa wenn er mit Split-Screens arbeitet. Der Bildrhythmus wird zudem angeleitet und untermauert von einem der besten Soundtracks des Jahres. Komponist Daniel Pemberton orientiert sich an den expressiven Filmmusiken der Sechzigerjahre, erinnert dabei an den frühen Jerry Goldsmith (der auch die Titelmelodie zur Fernsehserie geschrieben hat) und arbeitet klassische Nummern von Stelvio Cipriani und Ennio Morricone ein. Zusätzlich greift er weniger bekannte Stücke von Roberta Flack und dem Brasilianer Tom Zé auf und verknüpft all das zu einem musikalischen Projekt, das für sich genommen weitaus überzeugender und stimmiger ist als der Film, für den es geschrieben wurde. Dennoch: „Codename U.N.C.L.E.“ ist Guy Ritchies bisher beste Arbeit, vielleicht auch, weil das Genre und dessen zeithistorische Ausprägung optimal mit seinem Hang zu Eitelkeit und Oberflächlichkeit korrespondieren. Leider lässig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2015)

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