"Southpaw": Mit Esoterik in den Boxerhimmel

Southpaw
Southpaw(c) Tobis Film
  • Drucken

Jake Gyllenhaal geht in der Rolle des Boxers Billy Hope regelrecht auf. Aber das reicht nicht. Denn Regisseur Antoine Fuqua erzählt ein allzu vorhersehbares Drama.

Wenige Filmgenres sind so körperlich wie das Boxerkino. Die gespannten Muskeln und verquollenen Augen und blutenden Platzwunden sind die Geschichte selbst: Der Körper wird zum Austragungsort menschlicher Konflikte und existenzieller Krisen. Insofern ist es nur stimmig, dass ein Bild von „Southpaw“-Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal als Anheizer ins Internet gestellt worden ist: Es zeigt den Schauspieler im Boxring, den Oberkörper zu einem Muskelpanzer hochgerüstet, das Gesicht schweißnass und verzerrt vor Aggression.

Die Welt, die nach Authentizität und irgendeiner Form von Wahrheit lechzt, hat es aufgesogen, und schnell mehrten sich die Gerüchte. Dass dieser Film nämlich, vom häufig ausgezeichneten Regisseur Antoine Fuqua, endlich einmal wieder ein Boxerfilm sein könnte, der sich mit den Meisterstücken des Genres messen lassen kann. Denn wo ein Schauspieler nicht nur sein Innen – das ist selbstverständlich –, sondern trotz gesundheitlichen Konsequenzen auch sein Außen, seine Haut und sein Fleisch, einer künstlerischen Vision unterordnet, da ortet man Großes, Weltbewegendes wie einst bei Robert De Niros Darstellung von Jake LaMotta in Martin Scorseses Meisterwerk „Wie ein wilder Stier“ (1980). Und ja, tatsächlich, wie dieser für gewöhnlich bubenhafte Gyllenhaal, gerne abonniert auf den feinfühligen Außenseiter, sich aufgepumpt hat, um zu Billy Hope zu werden, ist beeindruckend.

Private Tiefschläge

Hope wie Hoffnung: Das steht auch auf seinem Zahnschutz, wenn er in den Ring steigt. Man merkt schon, um Nuancen geht es Antoine Fuqua nicht. Hier soll wieder einmal das amerikanische Gossenmärchen erzählt werden, mit breiten Pinselstrichen und möglichst unmissverständlich. Und was jetzt Gyllenhaal darstellt, war eigentlich Eminem auf den Leib geschrieben: Drehbuchautor Kurt Sutter, Schöpfer der feinen Biker-Serie „Sons of Anarchy“, konzipierte „Southpaw“ als biografische Fiktion dieses Marshall Mathers, genauer gesagt, seiner jüngeren Vergangenheit mit kommerziellem Höhenflug und privaten Tiefschlägen.

Das Boxen als Metapher für den andauernden Lebenskampf wird jedenfalls ordentlich ausgereizt. Anfangs steht Billy Hope ganz oben, also dort, wo nur wenige hinkommen und noch viel weniger bleiben. Ein Superstar im Ring mit einstudierten Siegerposen und diabolischem Grinsen. Die Handtücher sind ebenso blutrot wie sein gequetschtes Auge. Wenn die Lichter ausgehen, hockt Hope zusammengefallen in seiner Garderobe, umgeben von seinen Freunden, allesamt harte Jungs, die sich von ihm mit teuren Uhren beschenken lassen.

Die Villa, in der er mit seiner Frau Maureen (großartig: Rachel McAdams) und seiner Tochter Leila (Oona Laurence) lebt, erzählt alles darüber, woher dieser Mann kommt. Als Waisenkind hatte er nichts, jetzt regieren Protz und Prunk. Die ganze Welt soll sehen, was er hat. Die ganze Welt sieht, was er verliert. Frau, Kind, Wohnung, Karriere – alles weg, und das innerhalb von zwanzig Filmminuten, in denen das schmerzhaft konventionelle Drehbuch diese Figur von hier nach da schiebt, damit die Geschichte weitergehen kann wie sie weitergehen soll wie sie weitergehen muss. Das ist ziemlich effizient und sorgt nicht selten auch für große Gefühle. Es ist aber auch langweilig. Hopes Absturz ist ebenso Behauptung wie seine Wiederauferstehung: eine durchaus spirituelle Angelegenheit, denn an die Stelle des kommerzorientierten Box-Promoters 50 Cent tritt in der zweiten Filmhälfte der wie gewohnt intensive, predigende Forest Whitaker.

Geist siegt über Fleisch

Sein Titus „Tick“ Wills hat sich eigentlich vom Profiboxen zurückgezogen und ist zufrieden damit, in seinem heruntergekommenen Laden Straßenkids zu trainieren, sie so auf den rechten Weg zu bringen. Der geläuterte Hope berührt ihn dann aber doch, und er lehrt den ehemaligen Superstar neue, beinahe esoterische Zugänge zum Sport. Dass am Ende der Triumph lockt, dass der Geist über Fleisch und Muskeln siegen muss, dass der Exzessmensch vermittels Bescheidenheit und Demut zu neuem Glück findet, all das ist absehbar.

Gyllenhaal wurde schon lang vor der Veröffentlichung des Films als heißer Kandidat für den nächstjährigen Darsteller-Oscar lanciert: Kein Wunder, denn hinter „Southpaw“ steht Hollywood-Schwergewichtler Harvey Weinstein, der zielgerichtet die Filme mit den größten Chancen auf Trophäen stemmt. Aber ja, der Schauspieler, der als Kapuzenbub in Richard Kellys „Donnie Darko“ gefühlsschwangere Jugendkulturen der Nullerjahre vorweggenommen hat, hat mit diesem Film tatsächlich eine Karriere-Korrektur hingelegt. Sein Aufgehen in der Rolle des Billy Hope wird ihn zu Recht in Hollywoods oberste Liga katapultieren. Antoine Fuqua macht als Regisseur allerdings keine gute Figur: Zwei Jahre nach seinem beleidigend dummen Krawallfilm „Olympus has fallen“ beweist der ehemalige Hoffnungsträger des intelligenten US-Actionkinos erneut, dass es ihm mehr um Affekt als Effekt geht. „Southpaw“ ist ein Muskelberg von einem Film: beeindruckend, aber ohne Kraft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.