Neu im Kino: "Rachel Getting Married"

Kym (hervorragend: Anne Hathaway).
Kym (hervorragend: Anne Hathaway).(c) Sony
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Zornig auf Bush muss Regisseur Jonathan Demme nicht mehr sein. Mit der Tragikomödie „Rachel Getting Married“ kehrt er zurück zum Optimismus. Allen Figuren ermöglicht er in seiner Inszenierung freies Atmen, keiner muss für etwas einstehen. Ab Mittwoch.

Kym kommt heim. Und alles steht still. Für ein paar Minuten zumindest. Das Haus der Mittelklassefamilie vibriert gerade: Die Hochzeit ihrer Schwester Rachel steht an. Ein feierliches Ereignis: das Einlenken in den rechten Lebensweg, von dem Kym schon früh abgekommen ist. Jetzt hat sie gerade einen Drogenentzug hinter sich. Die körperliche und seelische Pein sieht man ihr an. Ihre Anwesenheit zerreißt die Stimmung, scheint den Glanz, den Glamour, die Unbeflecktheit einer weißen Hochzeit zu verunmöglichen. Alte Wunden brechen auf, neue kommen hinzu.

Regisseur Jonathan Demme setzt auf volle Trendumkehr, wenn er Rachel Getting Married als gesellschaftspolitischen Familienfilm anlegt: In einer Zeit, in der Hollywoodstudios massenweise Projekte durchwinken, die sich an der Weltbefindlichkeit abarbeiten, den Orient und den Okzident in immer komplexer werdenden Erzählungen aneinander binden, erscheint eine simple tragische Komödie altmodisch, unzeitgemäß. Vielleicht liegt das Geheimnis von Rachel Getting Married in seiner Unbekümmertheit, die nichts schönredet, einer Naivität, die nichts verleugnet. Sie verdankt sich nicht nur Jenny Lumets fein ausbalanciertem, unaufgeregtem Drehbuch, sondern vor allem Demmes profundem Humanismus.

Mainstream mit Unterströmungen

Allen Figuren ermöglicht er in seiner Inszenierung freies Atmen, keiner muss für etwas einstehen: Wiewohl Kym (hervorragend: Anne Hathaway) die Bühne als schwarzes Schaf der Familie betritt und die anderen über sie urteilen, spielen sich alle frei von dem Ersteindruck, werden zu vollen, facettenreichen Charakteren. Rachel Getting Married erinnert an Demmes frühe Filme, an seine liebevollen, genau beobachteten Gesellschaftskomödien wie Handle with Care oder Melvin and Howard: zärtliche Utopien innerhalb des Mainstreams, massentaugliche Unterhaltungsfilme mit subversiven Unterströmungen. So entspannt, alltagsschlau und optimistisch hat sich der New Yorker Regisseur schon lange nicht mehr gezeigt: Seine jüngsten Filme, darunter die Neuverfilmung von The Manchurian Candidate, waren verbissen inszeniert und politisch aufgeladen. Demme, der linksliberale Progressive, musste Stellung beziehen gegen die Bush-Regierung, wollte überzeugen, beweisen.

Rachel Getting Married scheint jetzt über diesen Affekten zu stehen, die Wut, der Zorn sind verflogen: Der Regisseur gibt sich versöhnlich, malt in Handkamerabildern seinen Traum auf die Leinwand, will nicht mehr erschüttern und aufrütteln, sondern Hoffnung geben. Eine Selbstanalyse, eine Selbstkritik: Willkommen im Demmeland! Teilstücke seiner anderen Regiearbeiten fließen als Zitate am Zuschauer vorbei. Die Produzentenlegende Roger Corman, für den er seine ersten Filme gedreht hat, ist als Hochzeitsgast ebenso mit dabei wie viele Freunde und Familienmitglieder des Regisseurs. Wenn dann am Ende des Zweistünders alle ausgelassen feiern, Klischees, Zuschreibungen und Vorurteile von purer Lebensfreude in den Boden getrampelt werden, dann kann man das blauäugig und naiv nennen, aufgesetzt und realitätsfremd. Oder: belebend, inspirierend und schön. Kommt wohl ganz darauf an, wie viel Wut man im Bauch hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2009)

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